Hagebutten-Rezepte: Die starke Wilde

Der Sommer geht, die Hagebutte kommt. Im Herbst und Winter leuchtet sie uns an Feld- und Waldrändern und aus Bauerngärten entgegen. Mit ihrer kräftigen roten Farbe weist die Frucht der Wildrose darauf hin, dass sie uns mit ihren wertvollen Inhaltsstoffen gestärkt durch die nasskalte Jahreszeit bringen kann. Besonders, wenn man das heimische Superfood selbst sammelt, selbst verarbeitet – zu Tee(s), Mus, Marmelade, Likör…

Hagebutte – das regionale Superfood

Sie drängelt sich nicht vor. Die Wildrose kann warten. Ihre Früchte reifen jetzt schon, bleiben aber zuweilen unbemerkt im bunten Herbst. Doch wenn die Bäume kahl und alle Äpfel geerntet sind, wenn weit und breit alle Farbe aus der Natur gewichen ist, dann leuchten die Hagebutten immer noch hell- bis dunkelrot an Sträuchern am Waldrand, an Feldwegen oder an üppigen Büschen inmitten einer Wiese. Manchmal wölben sich die Zweige im hohen Bogen wie ein Wasserfall und die, je nach Sorte, kleineren oder größeren Hagebutten sitzen darauf wie Tropfen. Als wollten sie signalisieren: Schüttle mich! Pflücke mich! Verwende mich! Ich bin ein ultragesundes Superfood. Saisonal, regional, unbehandelt. Aus Wildsammlung, selbst geerntet beim Spaziergang. 

Darauf müssen die Hagebutten nun immer seltener warten. Sie haben ihren Dornröschenschlaf beendet. Schon vor Jahrtausenden waren in der Volksmedizin ihre heilkräftigen Vorzüge bekannt. Erst mit dem Trend zur Rückbesinnung auf heimische Wildpflanzen wurden sie aber regelrecht wieder wachgeküsst. Denn heute weiß man:  Hagebutten sind wahre Vitamin C-Booster, ihre Schalen enthalten zwanzigmal mehr davon als Zitronen. Damit stärken sie das Immunsystem, beugen gerade in der kalten Jahreszeit Infekten vor oder helfen, diese schneller zu überwinden. Bakterien und Viren haben so keine Chance. Wie die dichte Hecke im Märchen „Dornröschen“, die natürlich aus Hagebuttenzweigen bestand, schützen sie die Zellen des Körpers zudem durch viel Vitamin A, E und K, sowie durch Mineralstoffe wie Eisen (gut gegen Blutarmut!) und Magnesium. Das Betacarotin Lycopin gibt ihnen nicht nur die vitale rote Farbe, ähnlich wie bei Tomaten. Es wirkt zudem antioxidant, also entzündungshemmend, indem es freie Radikale abfängt, bevor diese „oxidativen Stress“ verursachen können, Zellen schädigen und deren Alterung beschleunigen. Schleimbildende Pektine, die als Ballaststoffe zugleich leicht abführend wirken und Stoffwechselgifte ausleiten, können neben Flavonoiden und Gerbstoffen krampfartige Bauchschmerzen lindern, vor allem auch bei Kindern. Harntreibende Fruchtsäuren machen Hagebuttentee zudem zu einem wichtigen Hausmittel bei Blasen- und Harnwegsinfekten.

Hagebutten erkennen und bestimmen

Rund 150 Hagebuttensorten gibt es in unseren Breiten, die wohl häufigste ist Rosa Canina, die „Hundsrose“. Wie alle anderen wilden Schwestern der Zuchtrose stammt sie aus der Familie der Rosengewächse. Sie hat ebenfalls Dornen, ihre Blüten sind aber nicht so üppig wie bei Gartenrosen, samten und vielfarbig. Sie bestehen aus schlichten, fünfblättrigen Blüten in weiß oder pink, mit gelben Stempeln in der Mitte, aus denen nach der Bestäubung die Hagebutten hervorwachsen – die den edleren Schwestern hingegen weggezüchtet wurden. Auch die wilde Verwandtschaft duftet, vielleicht nicht ganz so stark. Sie blüht im Juni als erste, wenn auch nur für wenige Tage. Dafür kann man einen Zweig mit Hagebutten noch in die Vase stellen, wenn die empfindsamen Gartenrosen schon – vielleicht vorsorglich in Vlies gehüllt – dem Winter entgegendösen. 

Die Hagebutten punkten aber nicht nur mit ihrer Schale. Die Früchte sind prall gefüllt mit erstaunlich vielen Kernen, die dicht an dicht unter der fest-fleischigen Hülle sitzen. Sie machen die Hagebutten zu buchstäblich kern-gesunden „Sammelnussfrüchten“, zu denen etwa auch die Erdbeeren gehören. Die Kerne werden zwar nicht gegessen, dafür sind sie zu hart und unverdaulich. Sie können aber als „Kernlestee“ und als Pulver verwendet werden, denn sie enthalten viel Kieselsäure und damit Silizium. Das braucht der Körper für gesunde Haare und Fingernägel, für straffes Bindegewebe, Knochen und Gelenke. Denen kommt zusätzlich zugute, dass die kleinen Körnchen außerdem sogenannte Galaktolipide enthalten. „Studien haben gezeigt, dass sie entzündungshemmend wirken und bei Arthrose vor allem auch den Abbau von Knorpel stoppen oder sogar reduzieren können“, erklärt die langjährige Physiotherapeutin und Kräuterexpertin Christiane Onneken aus Königstein im Taunus bei Frankfurt. Auch bei rheumatischen Beschwerden sollen bereits fünf Gramm Hagebuttenpulver (aus Schalen, aber vor allem aus den Kernen) täglich hilfreich sein: Die Beweglichkeit im Knie oder Hüftgelenk etwa nehme zu, Schmerzen ließen nach. Hochwertiges Hagebuttenpulver bekommt man zwar inzwischen auch im Internet, in Reformhäusern und Bioläden, kann man auch selbst herstellen wie Hagebuttenmus, -marmelade, -Likör oder Tee. Heilpflanzenkennerin und Gesundheitspraktikerin Christiane Onneken teilt einige erprobte Rezepte für die vielseitigen Früchte.

Die Hagebutte feiert ihr Comeback

Zu Unrecht war deren Ruf lange ramponiert: Hagebutten – waren das nicht die mit dem Juckpulver? Absolut: Zwischen den Kernen lauern jede Menge kleine Härchen mit Widerhaken. Sie jucken fürchterlich auf der Haut, wenn man sie von hinten in den Pulli gestopft bekommt – eine Art Schulsport in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und inzwischen ein wenig in Vergessenheit geraten. Vielleicht, weil immer mehr Familien in Städten leben und Kinder gar nicht mehr wissen, wie Hagebutten aussehen oder wofür sie alles gut sind. Die Natur aber hat die Früchte so ausgestattet, damit die Hagebutten sich gut vermehren und ihr Überleben gesichert ist. Immerhin mochten sie schon unsere Vorfahren in der Steinzeit. Vögel wie Drosseln, Amseln und Rotkehlchen lieben das Fruchtfleisch und beim Verdauen scheiden sie die Kerne einfach da aus, wo sie gerade gelandet sind. Mit den kleinen Härchen haften sie besser im Gras und werden nicht so schnell vom Wind fortgeweht. Auch der Hagebuttentee, den es lange in Jugendherbergen zu trinken gab, trug nicht gerade zum Ruhm der Früchte bei. Er schmeckte fad und seine kräftig-rote Farbe verdankte er, wie heute in „Hagebuttentee“ oft noch, beigemischten Hibiskusblütenblättern. Echter Hagebuttentee aus ganzen oder halben Schalen schmeckt deutlich aromatischer und hat einen feinen blass-orangefarbenen Ton.

Und zur Ehrenrettung der Hagebutte sei auch gesagt: Sie ist kein „Männlein im Walde“, wie sie der Dichter Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1843 nannte. Er wollte mit seinem „Rätsellied“ Leser und Zuhörer auf eine falsche Fährte locken, hin zum Fliegenpilz. Gerechter wird der schönen Prinzessin der britische Arzt Edward Bach. Er gab vor beinahe 100 Jahren seinen Beruf auf, um in der Natur Südenglands Pflanzen mit heilsamen Schwingungen zu entdecken. Die daraus gewonnenen Tropfen wurden als „Bachblüten“-Therapie bekannt. Nummer 37, „Wild Rose“, wird gewonnen aus der Wildrose „Rosa Canina“ (Hundsrose). So wie die Früchte der Hagebutte die Abwehrkräfte und damit die Vitalität des Körpers stärkt, sollen die Tropfen von „Wild Rose“ auf emotional-geistiger Ebene neue Lebensfreude schenken. Für die bald beginnende, dunkle Jahreszeit eignet sich beides ideal.

Hagebutten-Rezepte: Abwechslungsreiche Ideen

Hagebutten sammeln

Ernten Sie nur fernab vielbefahrener Straßen, so dass die Früchte keinen Schadstoffen ausgesetzt waren. Je nach Sorte reifen Hagebutten schon im September oder erst spät im Jahr. Manche findet man noch im Februar. Für Tee oder Pulver am besten feste Früchte sammeln. Nach dem ersten Frost werden sie schneller weich, schmecken etwas süßer und können gut etwa für Mus oder Marmelade verwendet werden. Tipp von Christiane Onneken: Feste Früchte lassen sich auch einfrieren und später im Jahr verarbeiten. Nach dem Auftauen sind sie ebenfalls etwas weicher.

Für jedes Rezept und vor allem vor dem Einfrieren gilt: Als erstes die beiden Enden jeder Hagebutte (und Stielreste) mit einem Messer kappen.

Trocknen als Wintervorrat

Die Früchte halbieren. Mit einem scharfen Messerchen die Kerne und Härchen herauskratzen und in eine extra Schüssel geben. Hagebuttenhälften waschen und abtropfen lassen. Im Dörrautomaten trocknen. Alternativ den Backofen auf max. 40 Grad einstellen (so bleiben die Vitamine erhalten), die Hälften auf mittlerer Schiene auf einem Blech mit Backpapier ausbreiten und trocknen lassen. Das kann durchaus zwei Tage dauern. In eine Teedose füllen.

Parallel die Kerne mitsamt Härchen auf einem zweiten Blech mit Backpapier ganz unten im Backofen ebenfalls trocknen lassen. Sie brauchen deutlich weniger Zeit. Die Kerne mit den Härchen in ein Sieb geben und mehrmals sorgfältig sieben. Auf ein Tuch geben und zwischen den Händen bewegen, damit sich auch die restlichen Härchen lösen. Nochmals Kerne sieben und in ein dunkles Glas füllen. 

Hagebuttentee

Sechs Fruchthälften mit 250 ml kochendem Wasser übergießen, zehn Minuten ziehen lassen, so bleibt das Vitamin C weitgehend erhalten. „Dreimal täglich eine Tasse stärkt das Immunsystem, hilft bei Erkältung, bei Magenschmerzen, wirkt appetitanregend und harntreibend bei Nieren- und Blasenbeschwerden“, sagt Christiane Onneken.

Kernles-Tee

Zwei Esslöffel getrocknete Kerne in 500 ml Wasser (Kaltauszug) einweichen. Am nächsten Morgen 30 Minuten köcheln und abgießen: „Kernlestee enthält viel Kieselsäure und duftet nach Vanillin, eignet sich zur Blutreinigung und Entwässerung (etwa auch als Frühjahrkur) und schwemmt Harnsäure aus.“

Hagebuttenmus

Frische Früchte halbieren. In einem Topf knapp mit Wasser oder Apfelsaft bedeckt etwa 15 Minuten weichkochen, dabei gelegentlich umrühren. Mit dem Kartoffelstampfer zerdrücken und durch ein feines Sieb streichen und Mus in einer Schale auffangen oder mit der „flotten Lotte“ Mus gewinnen. Extra-Tipp von Christiane Onneken: „Die Kerne sind sehr hart, beim Versuch, alles mit dem Mixer zu zerkleinern, habe ich schon einen ruiniert. Ich empfehle die traditionelle Vorgehensweise mit der flotten Lotte.“ 

Mus als Tomatenmark-Ersatz oder Brotaufstrich portionsweise einfrieren.

Ohne Zuckerzusatz ist es im Kühlschrank etwa zwei Wochen haltbar.

Die Pressrückstände können auch für Hagebuttenlikör verwendet werden. 

Hagebuttenmarmelade

Hagebuttenmus aus 1 Kilogramm ganzen Früchten wie oben zubereiten. 800 Gramm Zucker hinzufügen, Abrieb und Saft von ein bis zwei Biozitronen, evtl. noch etwas Wasser oder Apfelsaft. Wenige Minuten kochen, dabei umrühren und heiß in sterilisierte Gläser füllen. Zuschrauben, einmal auf den Kopf drehen, wieder hinstellen, fertig. Hält mindestens 1 Jahr. 

„Die Marmelade eignet sich auch sehr schmackhafte Schicht in einer Linzer Torte.“ Extra-Tipp: Da die Hagebutten Pektine enthalten, wirken diese als Bindemittel; Gelierzucker ist nicht erforderlich.

Hagebuttenlikör

Pressrückstände aus der Muszubereitung (500 Gramm Hagebutten) oder frische, kleingeschnittene Hagebutten zusammen mit 750 ml Korn (ca. 40% Alkohol), Vanillepulver und 120 Gramm Kandiszucker in einer Flasche 6-8 Wochen ziehen lassen. Alles sollte von der Flüssigkeit bedeckt sein. Täglich einmal schütteln. Danach durch ein feines Sieb filtern, noch mindestens zwei Wochen stehen lassen. „Je länger er steht, desto köstlicher wird der Likör.“

Hagebuttenpulver

Hagebutten hälfteln, nicht entkernen und trocknen lassen.

Danach grob schroten und in einem Hochleistungsmixer oder einer alten Kaffeemühle zu Pulver vermahlen. Ideal als Zugabe zu Müsli, Quark, Joghurt oder eingerührt in Saft. „Bei Gelenkbeschwerden als Kur: Sechs Wochen lang täglich einen gehäuften Teelöffel Pulver morgens und abends einnehmen, danach für drei Monate täglich einen Teelöffel.“

Text: Andrea Freund

Fotos: Helmut Fricke

Entdecke die neue Ausgabe
Die aktuelle Ausgabe erzählt von Frauen, die mit Leidenschaft und Hingabe neue Wege gehen – nah an der Natur, mutig und voller Inspiration.

So begleitet die Imkerin Karin Selle ihre Bienenvölker in einem wilden Garten bei Lübeck – zwischen Holunder, Klee und Phlox summt das Leben. Für sie bedeutet Honig mehr als ein Produkt: Es ist ein Geschenk der Achtsamkeit und eine Schule des Vertrauens in den Rhythmus der Natur. Lucio Usobiaga kämpft in Mexiko für den Erhalt der traditionellen Chinampas – schwimmende Gärten, die seit Jahrhunderten die Ernährung sichern und heute ein Modell für nachhaltige Landwirtschaft auf dem Wasser sind. Und im Interview erzählt Annette Kaiser, warum Spiritualität und Bewusstsein die Schlüssel sind, um unsere Krisen neu zu betrachten – und wie daraus die Kraft für Veränderung entsteht. Dazu gibt es Rezepte, Geschichten über Heilpflanzen, kreative DIY-Ideen und Orte, die uns zeigen, wie Natur, Gemeinschaft und Kreativität unser Leben bereichern können.
Heftvorschau öffnen

Weitere Artikel

Dieses Rezept für Zwiebelkuchen kombiniert feinen Mürbeteig, geschmorte Gemüsezwiebeln, würzigen Bergkäse und eine cremige Schmand-Ei-Masse. Abgerundet mit frischem Thymian und fruchtigen Granatapfelkernen entsteht ein besonderes Geschmackserlebnis – perfekt für Herbstabende,...

Wenn Karin Selle in ihren Imkeranzug schlüpft und die Bienenvölkern in ihrem wilden Garten besucht, lässt sie den Alltag hinter sich. Zwischen Klee, Holunder und wildem Phlox summt und brummt hier das...

Die Landwirte des französischen Bauernhofs „Grand Laval“ versöhnen die Landwirtschaft mit der Natur. Sie stellen nicht nur Nahrungsmittel her, sondern produzieren auch „Wildnis“. 2200 Wildpflanzen, Insekten, Amphibien, Nutztiere und anderen...

Als ihr Vater unerwartet stirbt, übernimmt Alina Sannmann mit 29 Jahren den Familienbetrieb Sannmann – eine Biogärtnerei am Rand von Hamburg. Ihr Ziel ist es, Menschen wieder stärker mit der...

Fluffiges Zwiebelbrot mit cremigem Ziegenfrischkäse – dieses Rezept ist perfekt für den kleinen Hunger zwischendurch oder als köstliche Beilage. Der Teig reift über Nacht im Kühlschrank, was ihm eine herrlich...

Wer allein wohnt, ist froh und manchmal einsam. Wer mit anderen wohnt, hat oft Gesellschaft und braucht ab und zu Rückzug. Barbara Nothegger suchte ein Dorf in der Stadt und fand es...