Auf dem Wasser des Flusses Theiß schwimmen Lichter, am Ufer ertönt Musik, und alle feiern, dass Millionen von Eintagsfliegen sich endlich paaren. Biologin Bojana Stanisavljev teilt ihr Wissen über Palingenia Longicauda, die Eintagsfliege.
Frau Stanisavljev, mit welchen Tieren haben wir es hier zu tun?
Bojana Stanisavljev Es geht um eine Unterart der Eintagsfliege Ephemeroptera, von der es mehr als 1000 Arten gibt, eine davon sind die Wasserblüten. Die „Theißblüte“, Palingenia longicauda, lebt im Gebiet von Donau und Theiß und ist die größte europäische Eintagsfliege. Das Fluginsekt hat eine Flugelweite von 6–7 Zentimetern und ist 4–10 Zentimeter lang. Die Eintagsfliege selbst ist uralt und hat alle Katastrophen der Erde überlebt. Heute ist sie rar geworden, vor etwa 150 Jahren war sie von der Schwarzmeerküste bis Holland und Polen verbreitet. Industrialisierung, Landwirtschaftsgifte, Begradigung und Vertiefung von Flüssen haben sie aus Europa fast vertrieben. Jetzt sind sie an der Theiß nur noch in einigen Abschnitten zu finden.
Was geschieht beim Naturspektakel der Paarung der Eintagsfliege?
Bojana Stanisavljev Drei Jahre verbringt die Theißblüte in U-förmigen Tunnels im Flussbett, wo sie sich zur Larve entwickelt. Danach sind die Flügel ausgebildet, die Kiemen werden von Luftatmungsorganen ersetzt, das Insekt fliegt auf die Wasseroberfläche. Zuerst schlüpfen die Männchen, etwas später die Weibchen, die von den Männchen bereits zur Paarung erwartet werden. Direkt danach verenden die Männchen, die begatteten Weibchen fliegen noch einige Kilometer flussaufwärts, berühren gelegentlich die Wasseroberfläche und legen dabei bis zu 9000 Eier ab. Danach sterben auch sie, kurz bevor die Sonne untergeht. In Ostungarn und Nordserbien finden der Eintagsfliege zu Ehren Feste und Festivals mit vielen Menschen statt. Das genaue Datum jedoch weiß man nie. So bleibt das kleine Insekt auch nach 200 Millionen Jahren ein Geheimnis der Natur.
Zeigt die Eintagsfliege den Grad der Umweltverschmutzung an?
Bojana Stanisavljev Leider ja. In Serbien hatte sich die Fliege einmal 30 Jahre lang nicht gezeigt. Als die Theiß begradigt, ein Damm gebaut und der Wasserspiegel erhöht wurde, schafften die Insekten den Weg ins Licht nicht mehr. Seit 2010 sind sie wieder da. Als im Januar 2000 im rumänischen Baia Mare ein Industriedamm brach, flossen 100 Tonnen Cyanid zur ungarischen Grenze. Die schwere, rote Brühe wälzte sich tagelang entlang der Theis, bis sie zwei Wochen später die Donau erreichte. Es war die größte Umweltkatastrophe Osteuropas, 1400 Tonnen Fisch schwammen tot im Fluss, die Trinkwasserversorgung war unterbrochen, der Erdboden in vielen Dörfern Rumäniens verseucht. Und doch konnten die Larven der Eintagsfliege tief im Schlamm überleben.
Wird die Theißblüte wieder in Europa angesiedelt?
Bojana Stanisavljev Dr. Thomas Tittizer, dessen Gebiet „Wirbellose Tiere in Binnengewässern Zentraleuropas“ ist, versucht bislang erfolglos, die Theißblüte wieder in Deutschland heimisch zu machen, etwa im Fluss Lippe. Dafür sind die Eintagsfliegen alle Jahre wieder in Schwandorf in der Oberpfalz, an einer Brücke über den Fluss Naab – leider fast eine Plage. Denn nach der Paarung bedecken Millionen toter Insekten die Brücke.
Hier gibt es die ganze Geschichte.
Zur Person
Bojana Stanisavljev die Biologin kennt die Eintagsfliege seit ihrer frühesten Kindheit. Palingenia Longicauda, die Theißblüte, war der Grund, warum die 36-Jahrige aus Novi Bečej Biologie studiert hat. heute ist sie immer noch restlos verzaubert von den kleinen Wesen.