Der Enkel des Mathematikers und Künstlers Paul Schatz, Tobias Langscheid, sucht nach neuen technischen Lösungen für ökologische Probleme.
Sie leiten das Archiv Ihres Großvaters Paul Schatz. Was bedeutet Ihnen diese Arbeit?
Tobias Langscheid Hier im Archiv lagern etwa 30.000 Briefe, Patente, Zeichnungen, Theaterstücke. Die Bedeutung vieler Skizzen, Modelle und Entwürfe müssen wir uns erst noch erarbeiten. Paul Schatz hatte Ideen, für die wir jetzt erst die technologischen Lösungen finden. Etwa durch leichte Materialien wie Kohlefaser, mit denen man sehr präzise arbeiten kann. Wir haben hier also ein Archiv, das in die Zukunft greift.
Worin sehen Sie Ihre Aufgabe?
Tobias Langscheid Wir möchten das Thema wieder erlebbarer und verstehbarer machen. Die Menschen heute sind sehr gut geschult darin, Dinge räumlich zu sehen. Aber weniger darin, etwas in der Zeit wahrzunehmen. Wenn man die Zeit nicht sieht, dann hat man Mühe mit dem Lebendigen.
Warum fehlt uns Menschen dieses Verständnis?
Tobias Langscheid Als Mathematiker hat Paul Schatz alles zunächst in der Theorie erarbeitet. Gleichzeitig hat er aber auch immer selbst Modelle angefertigt, weil es ihm wichtig war, Erkenntnisse künstlerisch-praktisch erlebbar zu machen. Er war überzeugt davon, dass die Mathematik auch über die Schönheit zu vermitteln ist. Für uns sind geometrische Körper, eine Pyramide oder ein Würfel feste Gebilde. Wenn Sie die zwölf Flächen des Pentagondodekaeders in einem Band abwickeln, erhalten Sie die Form eines Flusses, das Symbol für Lebendigkeit! Wenn Sie das selbst an einem Modell ausprobieren, verstehen Sie den Zusammenhang sofort.
Sind die Wissenschaft und die Kunst nicht Gegensätze?
Tobias Langscheid Kunst entsteht aus Persönlichkeit. Persönlichkeit und persönliches Empfinden haben in der Wissenschaft heute keine Bedeutung. In dieser Idee von Wissenschaft geht es um Neutralität, um Wiederholbarkeit. Aber unsere Gesundheit beispielsweise ist ein persönlicher Weg. Wenn man wie Paul Schatz eine rhythmische Technik entwickelt, dann muss man sich nicht nur mit der Technik selbst beschäftigen, sondern auch mit den Rhythmen der Substanzen, die man bewegen möchte. Und mit ihrem Verhältnis zum Kosmos. Das geht nur, wenn ich mich persönlich einbringe und eine eigene innere Sicherheit entwickele. Dieser Weg ist schwieriger. Die Anforderung wird höher.
Lohnen sich diese Anstrengung und das persönliche Engagement?
Tobias Langscheid Wir haben mit einem Fischzuchtbetrieb gearbeitet, der hatte massive Probleme mit Algenbildung. Der zehn Hektar große Teich war durch Nährstoffe aus der Landwirtschaft und durch andere Abwässer kaum mehr zu gebrauchen. Wir haben dann ein 40 Zentimeter großes Oloid eingesetzt und das Wasser rhythmisch bewegt. Man muss sich das vorstellen: Mit dem Energieeinsatz von nur einer einzigen Glühbirne hat das Oloid diese enormen Wassermengen in Bewegung gebracht! Der Teich konnte sich selbst heilen. Und der Züchter hatte am Ende tatsächlich 40 Prozent mehr Fisch-Ertrag.
Jetzt können Sie sich vor Aufträgen nicht mehr retten?
Tobias Langscheid Leider ist das nicht so. Wir haben zwar heute in vielen Bereichen ein großes Energieproblem. Alternative Technologien, wie zum Beispiel Windkraft, werden jedoch aus dem klassischen Technikverständnis heraus erarbeitet. Dabei können neue Probleme entstehen: Wie transportiere ich Windenergie von der Nordsee nach Bayern?
Wir entwickeln gerade eine Windkraftanlage, die nach dem Prinzip der Umstülpung arbeitet. Die Flügel sehen aus wie Paddel und bewegen sich dreidimensional im Raum. Diese Windräder laufen schon bei geringer Windstärke, müssen nicht so hoch gebaut werden, machen kaum Geräusche und sind keine Gefahr für Vögel. Trotz der Vorteile ist es schwer, Akzeptanz für diese Technologie zu finden. Wir sind gefangen im kubischen System, und bewegungsmäßig sind wir das Hamsterrad gewohnt: die Rotation. Die wichtigste Umstülpung ist deshalb die, die in unseren Köpfen stattfinden muss.
Zur Person
Tobias Langscheid ist der Enkel von Paul Schatz und möchte dessen Ideen in zukunftsfähige technische Lösungen umsetzen.