Schrottplatz oder zweites Leben? Christopher Lewis restauriert alte Fahrräder zu poetischen Gefährten
Unbenutzbar und verlassen, so liegt das Arbeitsmaterial von Christopher Lewis da. Jeder Fahrradhändler würde abraten, da noch einmal ranzugehen. „Viele der Fahrradleichen, denen wir tagtäglich begegnen, sind tatsächlich nicht mehr zu verwenden. Aber dazwischen liegen immer wieder wahre Kostbarkeiten: elegante Stahlrahmen, tolle Qualität, gemufft und gelötet“, erklärt der Münchner. Hercules, Victoria, Motobecane, Torpedo oder Rabeneick: Lewis hat sich auf Modelle und Marken aus den Jahren 1940 bis 1970 spezialisiert.
Vive la France
Seine Fundstücke restauriert er und baut daraus fahrtüchtige Schönheiten zusammen. 20 bis 40 Stunden schraubt Lewis an einem Objekt, rund hundert Samstag Räder rollen schon durch deutsche Großstädte, eines sogar auf den Straßen von Monaco. „Salome“ oder „Schwanenhals“ heißen sie. Oder „Vive la France“, Poesie auf zwei Rädern. Ein Zufall trug dazu bei, dass seine Manufaktur entstand: „Ich bin an einem regnerischen Samstag durchs Bayerische Oberland gelaufen, da lag etwas im Acker.“ Das alte Fahrrad, das er dort fand, brachte ihn dazu, den allgegenwärtigen Fahrradmüll von da an genauer anzuschauen. Nach einigen Wochen gab es „Josef“, das erste Samstag Rad.
Inzwischen arbeitet Christopher Lewis, der aus der Werbung kommt und 15 Jahre Kunst gemacht hatte, in einer 30 Quadratmeter großen Manufaktur im Münchner Impact Hub. In dem fünf Meter hohen Raum lagern an die 100 Rahmen und 20 Paar Laufräder, in Bananenkisten liegen die kleineren Teile zur weiteren Verwendung bereit. Verschleißteile wie Pedale, Ketten, Lager, Reifen, Innen- und Außenzüge, Bremsbeläge, Sättel kauft er, wenn nötig, neu hinzu.
Berufung gefunden
Eigentlich war es zunächst gar nicht seine Absicht gewesen, die Räder, die er aus den zurückgelassenen Resten der Konsumgesellschaft zusammenbaute, wieder zu verkaufen. Doch es fragten immer mehr Leute nach. Oder sie brachten ihm ihre alten Rostlauben und baten um Hilfe. Irgendwann dämmerte ihm: „Das ist jetzt mein Job, meine Aufgabe.“
Wer mag, kann gemeinsam mit Lewis so ein künstlerisches Unikat genau nach dem eigenen Geschmack entwerfen. Der ursprüngliche Lack mit geschichtsträchtiger Patina oder neue Pulverbeschichtung? Wie soll der Rahmen beschaffen sein? „Das gemeinsame Planen dauert dann schon mal drei Stunden – und es macht sehr viel Spaß“, sagt Lewis.
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