Werde Magazin - Bernd Hausmann

Eine Öko-Jeans allein rettet nicht die Welt

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Mit seinen Fair-Fashion Stores Glore will Gründer Bernd Hausmann mehr Nachhaltigkeit in die Modeindustrie bringen. Doch fairer Konsum allein reiche nicht, um die aktuellen Umweltprobleme zu lösen.

Zur Modebranche kam Bernd Hausmann eher zufällig. Der ehemalige Sozialarbeiter und Gründer des Fair-Fashion Stores Glore fragt sich heute, warum wir Menschen die Erde so schamlos ausbeuten und träumt davon, Ungerechtigkeiten zu beenden. Wir trafen Bernd Hausmann am Rande der Glore-Eröffnung in Hamburg.

Werde Magazin - Bernd-Hausmann

Bevor du den Onlineshop für nachhaltige Mode, Glore, ins Leben gerufen hast, warst du, wie du sagst: „als Sozialarbeiter mit Weltrettung beschäftigt“. Was war deine Motivation, das Unternehmen zu gründen?
Bernd Hausmann:Damals gab es nur Naturtextilien und ich habe mich gefragt, warum es nicht modischere Styles zu kaufen gibt. Ich habe dann die ganze Welt nach Marken abgesucht, die meinen Vorstellungen von Nachhaltigkeit und Design entsprachen. Es gab damals sehr wenige nachhaltige Modelabels und von den wenigen, die mir gefielen, beklagten sich deren Besitzer in Gesprächen darüber, dass die meisten Händler nicht verstehen, wie sie arbeiten und dass sie deshalb keine Läden finden würden, die ihre Produkte verkaufen möchten. In diesem Moment ist die Idee entstanden, einen Laden mit genau solch besonderer, also fair gehandelten und nachhaltiger Mode zu eröffnen.

Wie würdest du das Konzept, das inzwischen daraus erwachsen ist, beschreiben?
Was unser Sortiment angeht, steht Glore für einen hohen Anspruch an Qualität, Design und Nachhaltigkeit. Diese drei Säulen sind die Grundlage unseres Konzeptes. Alle drei Kriterien müssen gleichermaßen erfüllt sein und bilden den Rahmen für unsere Auswahl. Design und Nachhaltigkeit waren bisher schwer kombinierbar. In den letzten Jahren sind aber viele neue junge Marken auf den Markt gekommen, die genau diesen Umstand ändern wollen. Sie haben erkannt, dass die Modeindustrie nicht länger so wirtschaften kann wie bisher. Ein System, das auf die Ausbeutung von Mensch und Natur setzt, ist buchstäblich aus der Mode.

Welche Rolle spielt der Handel dabei?
Als Unternehmen möchte Glore einen völlig neuen Weg gehen. Bisher gibt es zwei Formen von Händlern oder Stores: Entweder Unternehmen und Inhaber, die ihre eigenen Läden eröffnen oder Franchisemodelle, die Städte mit den immer gleichen Konzepten überziehen. Glore schlägt einen dritten Weg ein.

Wie sieht dieser Weg aus?
Uns vereint die Vision von einer neuen nachhaltigeren Modeindustrie. Als ich 2007 meinen ersten Concept Store eröffnet habe, kamen sehr schnell die ersten Interessenten, die das Gleiche in ihrer Stadt machen wollten. Ich fand die Vorstellung schön, jeder neuen Inhaberin bei Glore die Möglichkeit zu geben, ihren eigenen Store zu eröffnen. Das Wichtigste war mir, die Seele der Inhaberin im Laden spürbar zu machen. Jeder Laden sollte die eigene Interpretation von Qualität, Design und Nachhaltigkeit widerspiegeln und ganz individuell werden. Ich fand die Vorstellung schrecklich, in jeder Stadt dieselben Läden und dasselbe Sortiment anzubieten. Mittlerweile führen mit Wiebke Clef, Mira Höpfner, Nicola Haug, Rebekka Sommerhalder und Simone Kunz fünf faszinierende Unternehmerinnen einen Glore Concept Store in verschiedenen Städten. Jede hat die völlige Freiheit über das Sortiment und den Store. In Frankfurt sind mit Caspar Priesemann und Christian Hess die ersten beiden Männer zu uns gestoßen. Diese Vielfalt zeichnet uns aus und gibt uns gleichzeitig ein Gefühl der Geborgenheit in der Glore-Familie.

Nach welchen Kriterien suchst du die Inhaber für die verschiedenen Shops aus?
Das wichtigste Kriterium ist mein Bauchgefühl. Finde ich den Menschen sympathisch? Hat sie oder er den richtigen Blick auf Mode? Versteht er oder sie wirklich, was Nachhaltigkeit in der Tiefe bedeutet? Und traue ich es ihr zu, ein so großes Projekt zu stemmen? Den Rest kann man mit viel Motivation lernen. Keine der Glore-Inhaberinnen kam aus dem Textilhandel und alle sind sehr gute Unternehmerinnen geworden. Christian Hess, der Sohn des Hessnatur-Gründers, ist der erste Inhaber, der nachhaltiges Wirtschaften von Anfang an kennt.

Werde Magazin - Glore

Kommt dir dein Wissen als Sozialarbeiter dabei zugute?
Beim Thema Distanz konnte ich aus den Erfahrungen dieser Zeit schöpfen. Ich neige dazu, sehr persönlich mit Menschen zu kommunizieren. Das schafft einerseits schnell Vertrauen, andererseits wird es schwerer Grenzen zu setzen. Das musste ich schon während meiner Arbeit im Obdachlosenwohnheim lernen und habe mir da eine gewisse Professionalität angeeignet.

Könntest du dir eine Zusammenarbeit mit Textilgiganten oder Online-Versandhändler vorstellen?
Ich glaube nicht mehr an eine Veränderung der konventionellen Textilhersteller hin zu mehr Menschlichkeit und Nachhaltigkeit. Leider hat mein Einblick in diese Unternehmen meine Hoffnung zerstört, dass eine Veränderung der Modeindustrie von innen heraus gelingen kann. Deshalb müssen die Unternehmen wachsen, die heute unter menschlichen und ökologischen Bedingungen produzieren. Wenn die Zusammenarbeit mit einem Textilgiganten Glore größer machen würde, dann könnte ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen. Natürlich nur, wenn wir unsere Werte auch innerhalb einer solcher Kooperation zu hundert Prozent verwirklichen können.

Inwiefern hat sich die Modebranche deiner Meinung nach in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren verändert?
Die Geschäftsmodelle werden immer brutaler. Mode-Startups mit starker Kapitalmacht verfolgen das Ziel, Konkurrenten aus dem Markt zu drängen, um danach die Spielregeln im Markt bestimmen zu können. Es gibt immer weniger Miteinander in der Branche, stattdessen herrscht ein knallharter Verdrängungswettbewerb. Das setzt gerade viele mittelständische Unternehmen und kleine inhabergeführte Läden unter Druck. Die Innenstädte veröden und die Fußgängerzonen sehen in jeder Stadt gleich aus. Amazon und Zalando sind wie Orkane und zwingen viele kleine Läden in die Knie.
Auf der anderen Seite verlangen immer mehr Verbraucher nach fairer und ökologischer Kleidung. Vor 14 Jahren gab es hierzulande kein einziges nachhaltiges Modegeschäft. Mittlerweile gibt es in jeder größeren Stadt öko-faire Concept Stores. Es freut mich sehr zu sehen, wie diese Branche wächst!

Was hast du in diesen vergangenen 14 Jahren über Mode und die Modeindustrie gelernt?
Dass sie nicht bereit ist, ihr ausbeuterisches Geschäftsmodell zu ändern. Es ist ähnlich wie in anderen Industrien. Aus sich selbst heraus ist niemand bereit etwas zu ändern. Obwohl der Großteil der Menschen nicht möchte, dass ihre Kleidung unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt wird, schafft es die Industrie nicht, faire Umwelt- und Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.

Wie kann es weitergehen?
Die Visionäre, die dennoch an einen Wandel glauben, finden sich in der nachhaltigen Szene. Es gibt so viele großartige Projekte und Geschichten von Menschen, die neue Wege gehen. Flüchtlinge, die in Deutschland wunderschöne Kollektionen für das Label Lovjoy nähen, das Unternehmen Nudie Jeans, das innerhalb von fünf Jahren seine komplette Lieferkette umgestellt hat, obwohl dies laut Industrie in solch einem Zeitraum nicht möglich ist. Labels wie Nine to Five, das ihre Schuhe in kleinen inhabergeführten Betrieben in Portugal produzieren lässt, die Marke CUS, die direkt in Barcelona produzieren lässt und deren Inhaberin noch persönlich in die Fabrik bei ihr ums Eck fährt, um mit den Näherinnen zu sprechen. HempAge, das eigene Maschinen produzieren lässt, um den Hanf besser verarbeiten zu können oder das niederländische Unternehmen Mud Jeans, das aus alten Jeans neue Stoffe produzieren lässt. Ich könnte zahlreiche weitere spannende Projekte aufzählen. Diese zu fördern und verkaufen zu dürfen, macht meine Arbeit so besonders.

Glore

Was würdest du gerne verbessern?
Mein Thema sind der Handel und die Textilindustrie. Um die Textilindustrie sozialer und ökologischer zu gestalten, braucht es Zeit. Wir stehen am Anfang eines Transformationsprozesses. Dabei will Glore unterstützen und dazu beitragen, dass sich diese ausbeuterische Industrie ändert. Die Verödung der Innenstädte wird weiter voranschreiten. Wir müssen dringend die Autos aus den Innenstädten herausbringen und die Städte nachhaltiger gestalten. Wenn in diesen neuen Räumen schöne Stores mit hochwertigen nachhaltigen Produkten entstehen, könnte das eine neue Form des Handels werden. Wir haben gerade in Heidelberg und Hamburg unsere Stores mit einem Café verbunden, um Orte des Verweilens zu schaffen.

Was sind die größten Missverständnisse in Bezug auf ökofaire Mode?
Früher war es natürlich der Preis und der Stil. Kunden dachten immer, nachhaltige Mode ist teuer und sieht schrecklich aus. Das stimmt schon lange nicht mehr.  Das Missverständnis 2.0 ist, dass wir denken, ökofaire Mode oder nachhaltiger Konsum könnte die Welt verändern. Wir werden die großen Fragen nach der Zukunft der Menschheit nicht lösen und den Klimawandel nicht stoppen können, indem wir uns eine Jeans aus Biobaumwolle kaufen. Zu viele flüchten sich in eine schöne soziale Nische. Etwas nachhaltiger Konsum hier, etwas Yoga und Wellness dort und weil es gerade so nett ist, gehen wir noch auf eine Demo. So wird das aber leider nichts mit der Veränderung. Wir steuern gerade auf den Abgrund zu und müssen aktiv darum kämpfen, rechtzeitig die Kurve zu kriegen. Menschen wie Trump oder Putin halten wir leider nicht dadurch auf, indem wir im Bioladen einkaufen.

Worüber hast du am meisten gelernt?
Ich komme aus dem sozialen und künstlerischen Bereich. Mit Wirtschaft hatte ich vor Glore wenig zu tun und so lange genügend Geld auf meinem Konto war, hat mich das auch nicht interessiert. Durch Glore habe ich verstanden, wie wichtig das nachhaltige Wirtschaften für uns als Gesellschaft ist und wie alles miteinander vernetzt ist. Ohne wirtschaftliche Zusammenhänge zu begreifen, kann menschliches Zusammenleben nicht verstanden werden. Was ich hierbei gelernt habe, hat meine Sicht auf politische Entscheidungen extrem verändert.

Woher weißt du, was eure Kundeninnen und Kunden möchten?
Ganz einfach – ich frage sie und analysiere, was sie bei Glore kaufen. Die Kunst im Einkauf besteht darin, dem Sortiment eine gute Balance aus Bekanntem und Neuem zu geben. Zu viele Experimente verwirren die Kunden und zu viel Bekanntes langweilt sie. Zudem erliegt man gerne der Lust, für sich selbst einzukaufen, anstatt die Wünsche der Kunden zu berücksichtigen.

Inwiefern unterscheidet sich das Modekaufverhalten von Männer und Frauen?
Frauen kaufen mehr Röcke als Männer! Der Rest ist mir zu viel Klischee und stimmt sowieso fast nie.

Wie wichtig sind soziale Medien für den Erfolg von Glore?
Mit einer wirklich guten Kampagne kann tatsächlich viel erreicht werden. Allerdings gibt es in der Social-Media-Welt so viel Belangloses, das sich die Leute gerne sparen können. Das ist so ähnlich wie beim Fernsehen: Qualität macht Spaß und erzeugt Aufmerksamkeit. Schrott macht die Leute nur noch dümmer und nervt.

Welches spannende Eco-Label hast du zuletzt entdeckt?
Richtig neu entdeckt habe ich keines. Aber Sandra von Nine to Five hat gerade einen spannenden Transformationsprozess hinter sich und eine sehr schöne neue Kollektion präsentiert. Auch Adriana von CUS aus Barcelona hat mit ihrer Produktion vor Ort und in Portugal eine sehr runde Kollektion auf der Messe gezeigt. Beides sind bezaubernde Menschen mit einem großen Herz für Eco Fashion.

Was macht dich glücklich?
Auf privater Ebene sind es die Menschen um mich herum, die mich wertschätzen und lieben. Wenn ich dann noch in meine Laufschuhe schlüpfe und mich in die Natur begebe, ist alles gut! Beruflich freue ich mich, wenn wir als Team gemeinsam in eine Richtung laufen und die konventionelle Modeindustrie ein wenig ärgern können.

Was lernst du gerade?
Mich vom Selbstständigen zum Unternehmer zu entwickeln. Da ich am liebsten im Laden stehe und Jeans verkaufe, muss ich immer daran erinnert werden, mich schön ordentlich an den Schreibtisch zu setzen, ein Team zu führen, Zahlen zu drehen und so zu tun, als müsste ich täglich wichtige Entscheidungen treffen.

Wovon träumst du?
Das klingt jetzt ein bisschen wie im Poesiealbum, aber ich frage mich tatsächlich schon beinahe mein ganzes Leben lang, warum wir gebildeten Wesen diese Erde so schamlos ausbeuten und Kriege gegeneinander führen. Ich bin eher zufällig in der Modebranche gelandet und versuche hier die passende Antwort auf diese Fragen zu geben. Ich träume davon, dass wir als Menschheit die Größe haben, diese Ungerechtigkeiten zu beenden. Dieses Thema treibt mich an.

Welche Bücher, Webseiten, Podcasts zum Thema Fairer Konsum kannst du empfehlen?
Was faire Mode angeht, empfehle ich „The True Cost – Der Preis der Mode“. Glore hat die Dokumentation nach Deutschland und in über 90 Kinos gebracht, und nach dem Film ist nichts mehr wie zuvor. Wir zeigen ihn oft an Schulen und Universitäten und merken, dass er Menschen zum Nachdenken und einem bewussteren Konsum anregt. Ansonsten habe ich nichts Bestimmtes im Portfolio. Ich würde sagen, die Vielfalt macht’s. Zum Glück gibt es mittlerweile viele gute und inspirierende Medien, die sich mit dem Thema auseinandersetzen.

Zur Person

Werde Magazin - Bernd Hausmann

 

 

 

 

Bernd Hausmann, Sozialarbeiter, gründete 2006 Glore, den Onlineshop für nachhaltige Mode. Neben dem Webshop gibt es inzwischen sieben Concept Stores. Geführt werden ausschließlich Marken, die fair gehandelte und ökologisch nachhaltige Mode mit ethischem Anspruch verbinden. Die sieben Concept Stores verteilen sich von Hamburg über Frankfurt bis in die Schweiz.