Werde Magazin-Madagaskar

Mehr Grün für Madagaskar

Beitrag Stories

Wie Lukas Uhl sich auf Madagaskar für nachhaltigen Anbau einsetzt und mit Einheimischen gegen die Zerstörung der Natur kämpft. Wer Permakulturprojekte auf Madagaskar beginnt, braucht viel Kraft.


Aus welchen biografischen Quellen schöpfst du?

Lukas Uhl Ich bin so etwas wie ein freischaffender Weltretter in vierter Generation. Seit mein Urgroßvater sich mit der biologischdynamischen Landwirtschaft auseinandergesetzt hat, sind diese Themen bei uns zum Familienanliegen geworden. Wir haben viele elementare Handwerke ganz nebenbei gelernt, auch wenn ich oft neidisch auf die Freunde war, die das alles nicht machen mussten. Mit 16 übernahm ich unseren Hausgarten, und von da an habe ich alles zum Thema gelesen und erkundet, was ich finden konnte. 2008 bin ich nach Portugal gefahren und habe ein halbes Jahr lang bei einem Permakulturprojekt in Tamera viel gelernt. In Madagaskar hingegen habe ich mich regelrecht verliebt, als ich als Jugendlicher eine Dokumentation entdeckt hatte. Und fragte mich immerzu: Was kann man tun, damit diese Insel wieder grün wird?

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Was ist mit dem tropischen Regenwald auf Madagaskar passiert?
Lukas Uhl Die Insel ist anderthalbmal so groß wie Deutschland, mit allen möglichen Klima- und Wuchszonen. Vom ursprünglichen Wald wurden 95 bis 98 Prozent abgeholzt, die Tier- und Pflanzenwelt beinahe ausgerottet. Heute sind 80 Prozent der Landschaften kahl: überall rote Erde, rote Flüsse, Erosionskrater wie auf dem Mond – eine ökologische Katastrophe!

Wie geht die Zerstörung vor sich?
Lukas Uhl Hauptursache dafür ist die Brandrodung. Wenn der Wald verbrannt und der Bewuchs, die Vegetation, verschwunden ist, erodiert der fruchtbare Boden innerhalb kürzester Zeit, wird weggeschwemmt oder vom Wind abgetragen. Die Bauern können oft nur ein Jahr lang etwas anpflanzen. Dann lassen sie das Land brachliegen und kommen nach einiger Zeit wieder zurück. Nach wenigen Jahrzehnten ist das Land so zerstört, dass man wieder neue Urwaldflächen abholzen muss.

Wie ist es dir gelungen, das Vertrauen der Menschen zu erwerben?
Lukas Uhl Ich bin 2012 zum ersten Mal dorthin gereist. Wer mit den Ärmsten der Welt leben und arbeiten will, muss in ihren Hütten schlafen und ihre Sprache sprechen. Wenn ich, der als Europäer beinahe noch über dem Präsidenten steht, einen Graben selbst aushebe, habe ich die Hälfte ihres Vertrauens schon gewonnen.

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Wie waren deine ersten Erfahrungen?
Lukas Uhl Durch einen deutschen Kontakt bin ich an der Küste in einem Slum sozusagen hängen geblieben, um dort mit Kindern einen Schulgarten aufzubauen, der leider zwei Wochen nach meiner Abreise durch einen Zyklon verwüstet wurde. Bald darauf begann ich ein ökologisches Projekt, in dem alles zu stimmen schien. Als die örtlichen Verantwortlichen merkten, dass ich mein Budget selbst verwalte und auch Hand anlege, waren sie plötzlich gegen mich.

Immerhin haben wir es geschafft, einen 1200 m² großen Permakultur- Medizingarten aufzubauen. Danach war mir klar, dass es entscheidend ist, mit wem man zusammenarbeitet und sich mit Korruption und der alten feudalen Struktur auseinandersetzt. Eine Gartenbesitzerin in der Schweiz gab mir einen hilfreichen Rat: Bau dir ein lokales Netzwerk auf, finde Partner, die wirklich mit dir arbeiten wollen. Geh kleine Schritte, aber mache das gut.

Du arbeitest auch in einem Schulprojekt, was genau macht ihr dort?
Lukas Uhl Es handelt sich um die von kanadischen Spenden finanzierte Tenaquip- Schule im Hochland. Ich betreue dort den drei Hektar großen Permakulturgarten. Wir bauen Obst und Gemüse für die etwa 850 Schulkinder an. Durch die Anlage großer Sickergräben, terrassierter Anbauflächen, durch Mulchen und mit einem Hangbewuchs mit ausdauernden Pflanzen wie Ananas oder Süßkartoffeln konnten wir die Fruchtbarkeit und Produktivität der trockenen Böden inzwischen vervielfachen. Auf diese Art stillen wir nicht nur den Hunger der Schulkinder, sondern wecken auch die Neugier ihrer Eltern, die in der Regel Kleinbauern sind.

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Inzwischen weist deine Kooperative Permapartner Erfolge auf. Wie geht ihr vor?
Lukas Uhl Ich wollte nicht mehr auf städtischem Boden arbeiten. Auf dem Land sind die sozialen Strukturen besser, und die Menschen sorgen selber dafür, dass sie zu essen und zu trinken haben. Am Anfang jeder Arbeit steht der Bau von Wassergräben, sogenannten Swales. In denen wird das abfließende Regenwasser samt Erde und Humus aufgefangen. Es kann dann einsickern, und wir haben die Erosion gestoppt. Zwischen den Gräben entstehen Terrassen mit Waldgärten und Mischkulturen. Dadurch reduzieren wir die benötigten Agrarflächen um den Faktor 5 bis 20.

In Urwaldnähe lassen wir die unbewirtschafteten Flächen danach brachliegen. Für die sogenannten semiariden Flächen, wo eine natürliche Regeneration viel zu lange dauern würde, haben wir etwa das „Baumsaat-Projekt“ initiiert. Dort werden Pionierbäume als erste Vegetation eingesät. Darunter entstehen stabile Pflanzengesellschaften, in denen man nach und nach das Gute durch das jeweils Bessere ersetzt. Als ich daran ging, die erste Permakulturstation zu realisieren, habe ich gleichzeitig eine Permakultur-Ausbildung angeboten und zwölf Studenten angeworben. Was wir in der Praxis aufgebaut haben, wurde parallel auch theoretisch unterrichtet.

Produziert ihr auch für den Markt?
Lukas Uhl Auf Madagaskar produzieren nur die Großgrundbesitzer für den Markt. Die Kleinbauern verkaufen zwar gelegentlich Produkte, etwa um das Schulgeld für ihre Kinder aufzubessern. Mit unserem Versuch wollen wir breiten Wohlstand schaffen. Für den eigenen Teller und über die Kooperative, nach und nach, auch für die Stadt. Der erste Permapartner-Bauer konnte sich ökonomisch gut entwickeln. Seine Frau betreibt einen kleinen Supermarkt, und sie verkaufen Gemüse.

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Was ist besonders herausfordernd?
Lukas Uhl Es war schwer, mit dieser großen Euphorie zurück nach Europa zu kommen, um mit Stiftungen zu verhandeln. Auch den unersetzlichen Wert dieser Landschaften zu kennen und dabei zuzusehen, wie der Urwald brennt. Und es ist nicht leicht zu erleben, wie die Kinder hier leiden, vor allem wenn du dich früher selbst frei entfalten durftest.

Wie funktioniert die Organisation, und wie kann man euch unterstützen?
Lukas Uhl Wir wollen den Aufwand gering halten, um möglichst produktiv zu sein. So haben wir kaum Bürokosten in Europa und nur sehr geringe Werbungskosten. Fast alles kann direkt für das Projekt vor Ort verwendet werden. Für ein sicheres Budget helfen Einzelspenden oder Daueraufträge. Eine Unterstützung wäre, wenn Menschen in ihrem Umfeld für uns werben. Wir machen selbst keine teuren Kampagnen und bezahlen keine Agenturen. Fast noch wichtiger ist es, dass wir alle zusammen helfen, unsere Lebensweise immer wieder hinterfragen und ändern. Das vor allem würde helfen.

Was ist dein Ausblick für die Zukunft?
Lukas Uhl Fast 90 Prozent der ökologischen Zerstörung dieser Welt gehen auf Landwirtschaft, Holznutzung und Fischfang zurück. Bill Mollison, einer der Gründer der Permakultur, sagte, die Probleme auf unserem Planeten seien unglaublich komplex und die Lösung sei peinlich einfach. Die Landnutzung ist das Hauptproblem, kann aber auch die Lösung werden, wenn man die Prozesse versteht. Mit ein bis zwei Tagen Arbeit in der Woche wäre unsere Grundversorgung mehr als gedeckt, und wir könnten fünf Tage lang an dem arbeiten, worum es wirklich geht. Es geht nicht so sehr um technische Lösungen – der nächste Schritt müsste ein soziales Erwachen sein. Wir müssen die hierarchischen Strukturen hinter uns lassen und Gesellschaftsformen entwickeln, mit gleichen Rechten und Pflichten für jeden.