Mittagessen wird abgeräumt. Nonnen unterhalten sich.

Gemeinsam auf der Insel

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Das Inselchen ist winzig, die Gemeinschaft eng. 15 hochgebildete Nonnen leben das ganze Jahr mitten im Skutarisee und haben in der Wildnis einen Paradiesgarten gepflanzt.

Blick auf den Skutari See und auf das Kloster Beska.

Es ist unglaublich still am Skutarisee in Montenegro, wo sich die „Nonneninsel“ Beška befindet. Wer von weiter her dorthin gelangen will, beginnt die Reise in der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica und fährt, meist bei Hitze, durch Berg und Tal bis nach Murici, ein Dorf, das gegenüber der Insel liegt. Die Straße ist kurvenreich und eng, links der See, rechts die Berge. Am Straßenrand alte Frauen, die Obst und Schnaps anbieten. Plötzlich wird es still, und eine Art Steinwüste beginnt. Einzelne Dörfer tauchen auf, Häuser, hier eine Kirche, da eine Moschee. Getrennte Religionen als uraltes Lebensmodell: Albaner leben hier in muslimischen oder katholischen Dörfern, die orthodoxen Montenegriner in den orthodoxen Gemeinden. Murici liegt am Hang, ein Minarett ragt in die Höhe, nicht weit vom Seeufer entfernt schimmert die Insel Beška.

Lieblingskatze aller Nonnen. Kloster Beska.

Nonnen ernten Weintrauben. Platz vor der Küche. Kloster Beska.

Am Ufer gibt es Holzhütten und eine Terrasse mit grandiosem Seeblick. Sie gehören Hasan Muratovic, Moslem und Albaner, der voll des Lobes ist für die Nonnen: „Sie arbeiten Tag und Nacht, aus Steinen haben sie einen Paradiesgarten gemacht. Oft komme ich vorbei, bringe frischen Fisch, trinke einen Kaffee.“ Am Ufer liegt Hasans Boot, das zu den Nonnen fährt. Langbeinige Reiher, begleitet von Möwengeschrei, drehen Pirouetten in der Luft, und nach zehn Minuten ist Beška ganz nah. Die Insel scheint, klein und steinig, zwischen Wolken und Wasser zu schweben.

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Am improvisierten Anlegeplatz steht die Nonne Stefanija, eine kleine Frau in schwarzem Gewand. Steil und beschwerlich geht es nach oben zum Haus, vorbei an zwei Kirchen und am Garten Eden: Granatapfelbäume, Aprikosen, Birnen und Oliven, Oleander, Lorbeer und Rosen gedeihen hier. Auf der schattigen Terrasse herrscht endlich ein kühles Lüftchen.

Ein Paradiesgarten

Stefanija lacht scheu. Seit dreizehn Jahren lebt sie auf der Insel. Als sie ankam, war sie dreiundzwanzig Jahre alt und hatte ein Diplom in Management und Volkswirt schaft in der Tasche. Warum wurde sie Nonne? „Es ist ein Wunsch, der im Herzen wächst, als wenn Gottes Wille in dir erwacht. Das geht allerdings nicht so: Heute will ich Nonne werden, und das war’s. Als Novizin hast du mindestens drei Jahre Zeit, dich selbst zu erforschen und zu hinterfragen.“ Am Nachmittag hustet Stefanija. Jetzt hilft heißer Granatapfeltee. Und wenn es ernst wird, immerhin lebt sie auf einer Insel? „Dann rufen wir die Grenzpolizei an, sie bringt uns ans Festland und dann ins Krankenhaus.“

Nonne bei der Zubereitung des Mittagessens. Klosterküche.

Die Sommer auf Beška sind heiß und lang, die Winter kalt und feucht. Gott dienen und arbeiten, das ist der Nonnenalltag, der morgens um vier Uhr beginnt. Morgenmesse von fünf bis sieben, Frühstück, Pause, tägliche Arbeiten. Mittagessen um 13 Uhr und wieder Arbeit bis 18 Uhr. Eine zweistündige Messe beendet den Tag. Erst dann haben die Nonnen Zeit für sich selbst. Sie schlafen in kargen Zellen und essen, was auf der Insel wächst. Fleisch und Fisch bringen Freunde vom Festland mit.

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Hochgebildete Frauen

Das Kloster funktioniert wie ein gut gehender Betrieb: Honig, frisch gepresster Granatapfelsaft, Marmelade und Obstschnäpse von dort sind auf dem Festland begehrt. Inselbesucher kaufen Ikonen und auf Glas gemalte religiöse Bilder. Aus Früchten bastelt die blinde Novizin Gorana Rosenkränze. Zu tun gibt es auch in der Schneiderei und Zimmerei, und schließlich gibt es auch noch Küche und Garten, Hühner und Katzen. Savatija ist Herrin der Boote, Varvara betreut die Gäste, insgesamt fünfzehn Nonnen leben auf der Insel. Nichts deutet darauf hin, dass ihnen so viel Arbeit Mühe macht. Ihre Gesichter strahlen Frieden aus. Sie sind zwischen zwanzig und Ende vierzig, die meisten von ihnen haben ein Studium hinter sich: Politologie, Theologie, Management – die Nonnen von Beška sind hochgebildete Frauen. Evangelija und Varvara haben einen Doktortitel in Englischer Literatur, Oberin Fotina ein Diplom in Psychologie.

Mutter Fotina in der Mitte in der Kirche, links von ihr Schwester Barbara

Die Oberin des Klosters ist Mati (Mutter) Fotina. Seit vierzehn Jahren ist Beška ihr Leben. Ihr engelsgleiches Gesicht erinnert an Gemälde von Botticelli. Warmherzig und zierlich ist sie, spricht leise und langsam. „Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie, in der Religion nichts zu suchen hatte. Ich studierte Psychologie, weil ich den Sinn des Lebens suchte. Die Antworten fand ich aber im Studium nicht. Mit 21 ließ ich mich taufen.“ Ihre Stimme ist ruhig und tief: „Nein, nichts kam plötzlich. Ich habe in dieser Zeit viel gelesen, buddhistische Bücher und Dostojewski,meinen Lieblingsautor. Die Frage der Auferstehung beschäftigte mich immens. Dann las ich theologische Bücher, und mein Herz öffnete sich. Die Wahrheit fand ich in Christus. Sechs Jahre später war ich Nonne.“

Nonne auf dem Weg zur Morgenandacht. Kloster Beska

Als Nonne lebte sie in mehreren serbischen Frauenklöstern, und 2004 kam sie nach Beška. Da war sie 41 Jahre alt. „Für mich war Beška eine große Herausforderung, ich bin in dieser Oase der Stille gewachsen und bin sehr glücklich.“ Hilft ihr die psychologische Ausbildung manchmal bei der Leitung der Gemeinschaft? „Auch in einem Kloster knistert es manchmal. Natürlich hilft mir dann mein Vorwissen. Oberinnen, die keine psychologische Ausbildung haben, schaffen es eben durch ihre Menschenkenntnis und auch mit Gottes Hilfe, Konflikte zu lösen.“

Mittagessen wird abgeräumt. Nonnen unterhalten sich.

Die ersten Jahre

Über 300 Jahre lang war Beška verweist. Als Mati Fotina die Insel betrat, fand sie zwei mittelalterliche Kirchenruinen vor: Es regnete hinein, in den Altarräumen wuchsen Feigenbäume, und in der Macchia wuselten Schlangen. Die Ziegen der Murici-Bauern schliefen sogar in den Kirchenräumen. „Wir waren zu fünft, als wir hier landeten. Die Kirchenväter hatten für uns eine Herberge gebaut mit ein paar Betten. Tische, Schränke und Regale haben wir selbst hergestellt und auch Gemüse und Obst gepflanzt. Die ersten Jahre waren sehr karg.“

Es gab richtig viel zu tun: 160 Bäume haben die Nonnen gepflanzt, Zucchini, Erbsen, Erdbeeren und Tomaten, Agaven und Oleander auch. Mati Fotina lacht: „Die Heuschrecken waren unsere größten Feinde, sie haben einfach so viel weggefressen. Wir wollten schon aufgeben, doch dann sind sie eines Tages wieder verschwunden – und wir hatten gesiegt! Es gab noch mehr Herausforderungen. In einem Jahr kam der große Schnee und blieb einen ganzen Monat lang. Der See war vereist. Und wir waren Gefangene auf unserer Insel.“

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Seit 2010 gibt es Elektrizität auf Beška. 100 Liter Trinkwasser kommen einmal in der Woche per Boot vom Festland, für alles Weitere nutzen die Schwestern das Wasser des Skutarisees. Dank Spenden erstrahlen die mittelalterlichen Kirchen heute in neuem Glanz, und die Insel ist heute ein Kleinod, ein „Paradiesgarten“, wie Bootsführer Hasan schon sagte. Wer als Besucher zwei Tage hier verbringt, lebt völlig anders als am Festland. Zu Mittag löffelt man eine Brennnesselsuppe, isst gefüllte Auberginen und blanchierten Kohl mit Salbeiblättern, während Gavrila aus heiligen Schriften liest. Man kann Pavla treffen, die mit Mörtel und Schaufel den Weg zur Kirche verbessert, redet vielleicht mit Natalija, die aus Kiew stammt. Natürlich nimmt man am Gottesdienst teil und hat müde Beine hinterher. Denn in serbisch-orthodoxen Kirchen gibt es keine Stühle.

Mutter Fotina in der Mitte vor der Kirche, links von ihr Schwester Barbara

Göttliche Schönheit

Bevor Savatija zur Rückreise das Boot bereitstellt, kommt Mati Fotina mit ans Ufer. Sie ist im bergigen Südserbien aufgewachsen, Boote und das Leben am Wasser kannte sie zuvor nicht. Wie fühlte sie sich an einem Ort, an dem es nur Schlangen, Steine und Schwalben gab? „Die Wildnis, die mir auf der Insel begegnete, war unwirklich, surreal. Und trotz Heuschrecken, Eidechsen und Fröschen nahm ich überall eine göttliche Schönheit wahr, der Himmel schien unendlich, Schwalben, Reiher und Pelikane grüßten uns. Wir Nonnen fühlten uns berufen, hier, an diesem Fleckchen Erde, das Werk der Fürstin Jelena Balšic fortzuführen.“ Diese hatte einst in ihrem Testament verfügt, dass die Kirche der Heiligen Jungfrau auf der Insel Beška ein Nonnenkloster werden soll.

Pfirsichbaum im Klostergarten. Kloster Beska.

Im Boot auf dem stillen See fühlt man sich ein bisschen wie Oberin Fotina, als sie erstmals nach Beška kam: beseelt von einer unwirklich scheinenden Umgebung, von einer Art mystischen Schönheit in absoluter Stille. Später schwebt eine feine Mondsichel am schlafenden Himmel.