Die beiden Gründer von Erlich Textil stehen nebeneinander

„Wo eine Idee ist, muss die Umsetzung einfach ausprobiert werden“

Beitrag Friends

Weil sie eine grüne Alternative auf dem Unterwäschemarkt bieten wollten, gründeten Sarah Grohé und Benjamin Sadler Erlich Textil. Wir haben mit Sarah über die Bedeutung von Stoffkreisläufen gesprochen. Über den Mut, ein eigenes Label zu gründen und über die Entscheidung, direkt aus der Fertigung heraus zu verkaufen.

Ein Portrait von Gründerin Sarah Grohé von Erlich Textil

Wie würdest du die Philosophie von Erlich Textil in einem Satz zusammenfassen?
Sarah Grohé In allen Belangen Nachhaltigkeit zu leben. Und diese in Form unserer Artikel und unseres Konzepts einer möglichst breiten Zielgruppe zugänglich zu machen. Um damit eine größtmögliche Auswirkung im Wandel der Bekleidungsbranche zu erreichen.

Was bedeutet Nachhaltigkeit für euch?
Sarah Grohé Es geht neben der fairen und transparenten Produktion in Europa auch darum, mit unserer Idee nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg zu haben. Wir wollen bei Erlich Textil Jobs schaffen, Mitarbeiter fair bezahlen und durch Steuern etwas zurückgeben.

Was waren die größten Herausforderungen? Was habt ihr unterschätzt?
Sarah Grohé Einen schönen, modernen und funktionalen Onlineshop zu haben, der uns alle technischen Möglichkeiten bietet. Außerdem unser Markenbild transportiert und dabei rechtskonform die Daten aller Kunden behandelt. In die Produzentensuche und anschließend die damit verbundene Musterung der ersten Kollektion ist die meiste Vorbereitungszeit geflossen.

„Einfach machen. Wo eine Idee ist, muss die Umsetzung einfach ausprobiert werden.“

Was war der wertvollste Ratschlag, den euch jemand in Bezug auf eure Unternehmungsgründung erteilt hat?
Sarah Grohé Einfach machen. Wo eine Idee ist, muss die Umsetzung einfach ausprobiert werden. Wie der Weg dann konkret aussieht, ergibt sich von alleine.

Was zeichnet eine gute Führungskraft aus?
Sarah Grohé Man sollte Mitarbeiter unbedingt fördern und fordern. Außerdem ist Offenheit wichtig – der unbedingte Wille, sich ständig zu verbessern. Und die Tatsache zu akzeptieren, dass selbst ein Praktikant manchmal Dinge besser weiß oder kann, als man selbst. Zusätzlich muss man als Führungskraft lernen, Dinge zu delegieren und dann auch zu akzeptieren, wie sie erledigt werden. Alles selber machen zu wollen, klappt nie. Man sollte also sehr früh auch Verantwortung an seine Mitarbeiter übergeben und sie dabei unterstützen, diese auszuüben.

Ein Slip und ein BH von Erlich Textil hängen an einer Wäscheleine

Inwiefern ergänzt ihr euch bei Erlich Textil?
Sarah Grohé Da in einem Start-Up eigentlich immer jeder alles macht, hilft vor allem eine gute Kommunikations- und Diskussionsbasis. Natürlich haben wir mit der Zeit die einzelnen Bereiche und Verantwortlichkeiten aufgeteilt, allerdings nicht unbedingt nach unseren Studienfächern. Wichtige Entscheidungen treffen wir aber immer gemeinsam. Kompromissbereitschaft, die Fähigkeit zuzuhören und ein gemeinsames Werteverständnis helfen uns dabei, das Unternehmen erfolgreich zu führen.

Was passiert, wenn ihr euch mal nicht einig seid? Wie findet ihr den bestmöglichen Kompromiss?
Sarah Grohé Wir überzeugen den anderen anhand von Argumenten. Das kann in der Praxis schon mal länger dauern. Aber nur so können wir beide die getroffene Entscheidung und ihre Konsequenzen mittragen.

„Wir haben von Anfang an an unseren Erfolg geglaubt.“

Wie ist euch ein gesundes Wachstum gelungen?
Sarah Grohé Der erste „Durchbruch“ bei Erlich Textil war unser erfolgreicher Launch der ersten Spitzenkollektion. Die sollte für drei Monate reichen, war aber innerhalb von drei Wochen restlos ausverkauft. Wir haben von Anfang an an unseren Erfolg geglaubt. Und schon früh darauf geachtet, die Weichen so zu stellen, dass wir alle relevanten Strukturen skalieren können. Etwa wie die wie Produktion, den Webshop und die Logistik.

Die beiden Gründer des nachhaltigen Start-Ups Erlich Textil

Statt im Ausland zu produzieren, habt ihr euch mit Erlich Textil bewusst dazu entschieden, mit einer familiengeführten Textilmanufaktur auf der Schwäbischen Alb zusammenzuarbeiten.
Sarah Grohé Die Gebr. Conzelmann sind ein traditionsreiches Unternehmen, das bereits seit den Zwanziger Jahren Unterwäsche produziert. Das tolle Team hat uns schon beim ersten Kennenlernen mit einer unbedingten Offenheit und Neugierde gegenüber der modernen Onlinewelt überzeugt. Wir sind extrem glücklich mit der Zusammenarbeit. Vor allem das Menschliche kommt nicht zu kurz und das ist ein Punkt, der uns extrem wichtig ist.

Wo lasst ihr außerdem noch produzieren?
Sarah Grohé Kleine Teilbereiche der Kollektion entstehen mittlerweile in Portugal, aber auch in Kempten und in Heubach. Die Hauptnäherei der Gebrüder Conzelmann befindet sich in Rumänien. Hier wird der Großteil unserer Wäsche genäht – nach dem Stricken, Färben und Zuschneiden in Albstadt.

„Wir fokussieren uns auf Pflanzenfasern wie Baumwolle, Modal oder EVO. Kunstfasern schaffen es nur in recycelter Form in unsere Kollektionen.“

Welche Rohstoffe kommen bei Erlich Textil zum Einsatz und woher stammen die verwendeten Materialien für eure Produkte?
Sarah Grohé Unsere Baumwolle aus kontrolliert biologischem Anbau stammt aus Indien. Die Strickerei und Weberei befinden sich in Albstadt und Portugal. Außerdem verwenden wir für unsere Produkte Lenzing Modal und Micromodal. Die Faser stammt aus Österreich, Garn und Strickerei aus der Türkei. Die Leinenfasern beziehen wir aus Europa, die Weberei ist in Portugal beheimatet. Für unsere Spitze sowie für die Bademode verarbeiten wir recycelte Kunstfasern aus Italien und Portugal. Das EVO-Garn für unsere Feinstrümpfe stammt aus Italien. Das ist Garn, das aus der Rizinuspflanze gewonnen wird.

Nach welchen Kriterien, beispielsweise Optik, Haptik und Ökobilanz, sucht ihr die Materialien aus?
Sarah Grohé Im Vordergrund stehen die möglichst umweltschonende Gewinnung der Faser. Aber auch der Tragekomfort und die Langlebigkeit der fertigen Teile. Wir fokussieren uns auf Pflanzenfasern wie Baumwolle, Modal oder EVO. Kunstfasern schaffen es nur in recycelter Form in unsere Kollektionen – die feine Spitze könnten wir aus Baumwollgarn nicht herstellen.

Der Knopf an einem Kleidungsstück von Erlich Textil mit Schriftzug

Inzwischen sind wir bei der Baumwolle komplett auf kontrolliert biologischen Anbau umgestiegen. Das war anfangs nicht möglich und hilft uns natürlich nun bei einer positiveren Gesamtbilanz. Wenn wir über ein neues Material stolpern, das uns mit seiner guten Ökobilanz und gleichzeitig schönen Haptik und Optik überzeugt, überlegen wir, ob wir uns dafür eine Produktlinie einfallen lassen können.

Wie gelingt es euch, einerseits hohe Qualitätsstandards einzuhalten und gleichzeitig faire Löhne zu zahlen? Und zudem auch noch erschwingliche Produkte auf den Markt zu bringen?
Sarah Grohé Stichwort ‚Online only‘. Wir kalkulieren unsere Produkte ohne große Zwischenmargen, da wir sie direkt aus der Fertigung an die Endkunden verkaufen. Die hohe Qualität, ‚Made in Europe‘ und GOTS zertifizierte Betriebe werden so nicht zur Kostenfalle. Auch nicht für kleine Unternehmen wie uns.

„Wir kalkulieren unsere Produkte ohne große Zwischenmargen, da wir sie direkt aus der Fertigung an die Endkunden verkaufen.“

Wie lange dauert es von der ersten Idee bis zur finalen die Herstellung eines Produktes?
Sarah Grohé Unser Rekord liegt bei drei Monaten. Normalerweise rechnen wir mit rund sechs Monaten.

Was hat es mit den wohlklingenden Produktnamen wie Paul, August, Edith, Marlene und Emma auf sich?
Sarah Grohé Für die ersten Namen standen zum Teil unsere Großeltern oder nahestehende Menschen Namenspate. Die allermeisten sind aber einfach Namen, die uns gut gefallen.

Ein Kleidungsstück von Erlich Textil mit Etikette

Warum werden selbst nachhaltige Textilien heutzutage immer noch in Plastik verpackt? Gibt es inzwischen keine umweltfreundlichen Alternativlösungen?
Sarah Grohé Das ist leider noch eine Kostenfrage. Verpackungen aus Papier oder Gras sind nicht immer besser für die Umwelt, wenn man deren Herstellung mit in die CO2-Bilanz rechnet. Wir arbeiten aktuell an einer Cradle-to-Cradle-Lösung, was natürlich ideal wäre. Leider können wir noch nicht sagen, wie lange das dauern wird. Und als kleines Unternehmen ist es schwer, hier die passenden Lösungen zu finden. Wir arbeiten aber kontinuierlich daran, uns stückweise in allen Bereichen zu verbessern.

„Verpackungen aus Papier sind nicht immer besser für die Umwelt, wenn man deren Herstellung mit in die CO2-Bilanz rechnet.“

Neben eurer Wäsche-Kollektion stellt ihr seit Kurzem auch Heimtextilien und Bademode her. Ist die Idee, die Produktlinie bei Erlich Textil zu erweitern, erst im Laufe der Zeit entstanden?
Sarah Grohé Einige Ideen hatten wir bereits von Anfang an. Als dann sichtbar wurde, dass wir mit unserer Grundidee den richtigen Weg eingeschlagen hatten, haben wir uns an weitere Bereiche gewagt. Immer mit dem Wunsch, bei vielen Menschen in Bereichen, die sie buchstäblich berühren, für ein transparentes Wohlfühlgefühl zu sorgen.

Wie gut kennt ihr eure Kunden?
Sarah Grohé Das ist als Onlineshop natürlich immer eine sehr knifflige Sache, da wir die Menschen nicht persönlich kennenlernen. Aber glücklicherweise haben wir eine großartige Kunden-Community, die uns sehr rege mit Kritik versorgt. Sowohl mit positiver als natürlich auch mit negativer. Eine Community, die Anregungen gibt und sich untereinander mit Informationen austauscht. Wir haben ebenfalls sehr früh damit angefangen, bei Entscheidungen zu neuen Produktgruppen, Farben oder Schnitten unsere Kundinnen und Kunden zu befragen. Und freuen uns jedes Mal wieder über die hohen Beteiligungsraten.

Zwei paar Beine mit Socken an den Füßen lehnen an der Wand

Was ist das schönste Kompliment, das ihr je von einem Kunden bekommen habt?
Sarah Grohé Ein Paket aus Süddeutschland, das uns eine Kundin schickte. Darin waren drei originalverpackte Wäscheteile aus unserer Großelterngeneration – in top Zustand. Die hatte sie beim Räumen des Hauses ihrer Eltern oder Großeltern auf dem Dachboden gefunden hat. Sie hatte dabei sofort an uns gedacht, so schrieb sie. Weil sie so erfreut war über unsere Idee, das gute alte Handwerk der Wäscheherstellung ins digitale Zeitalter zu holen. Das war sehr rührend und motivierend zugleich. Die besonderen Stücke haben wir seitdem in Objektrahmen in unserem Kölner Büro hängen.

Was motiviert dich?
Sarah Grohé Die tolle Zusammenarbeit mit unseren Produzenten. Und das Gefühl, in dieser Branche in Rahmen unserer Möglichkeiten etwas zu verbessern. Und natürlich die vielen zufriedenen Kunden, die unsere Werte teilen.

Als junge Frau bin ich vor der Gründung häufig über ‚die alten Herren‘ gestolpert, die immer noch die Masse regieren.

Welche Fair Fashion Labels trägst du privat?
Sarah Grohé Viel Second Hand Kleidung, ansonsten faire Labels wie Lanius, Melawear, Armedangels, MudJeans, Degree oder Uneins.

Was wünschst du dir für die Zukunft?
Sarah Grohé Mehr junge Leute in den Entscheidungspositionen der Mode- und Textilindustrie. Gerade als junge Frau bin ich vor der Gründung häufig über ‚die alten Herren‘ gestolpert, die immer noch die Masse regieren. Solange sich in der Branche nichts von oben her ändert, wird es sich immer wie ein Kampf gegen Windmühlen anfühlen, die Branche in allen Belangen besser machen zu wollen. Und zwar nicht nur aus Marketingzwecken, sondern grundlegend und aus tiefster Überzeugung heraus.

Verschiedene Farben von Stoffen

Wofür bist du dankbar?
Sarah Grohé Für den Zufall, der Benjamin und mich zur gleichen Zeit an den gleichen Ort geführt hat. Und für das Glück, das mit Sicherheit auch seinen Teil zu unserem Erfolg beigetragen hat. Außerdem für den Rückhalt unserer Partner an den anfänglich sehr langen Arbeitstagen und -wochenenden. Sehr kitschig, aber sehr wichtig.

Welche Bücher, Blogs, Filme & Co kannst du Menschen empfehlen, die an dem Thema Nachhaltigkeit interessiert sind?
Sarah Grohé Die Dokumentationen The True Cost, Bitter Seeds und RiverBlue sowie die beiden nachhaltigen Webmagazine Peppermynta und Viertel Vor.

 

Zur Marke
Das Kölner Label Erlich Textil wurde 2016 von Sarah Grohé und Benjamin Sadler gegründet und vertreibt inzwischen nicht nur ökologisch faire Unterwäsche für Männer und Frauen, sondern auch Heimtextilien und Bademode.