Werde Magazin - SchmidtTakahashi

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Eugenie Schmidt und Mariko Takahashi schneidern Designermode aus Second Hand-Kleidern. Ihr Berliner Label Schmidttakahashi bewahrt die „Vita“ der Spenden und manchmal auch die Erinnerung an einen geliebten Menschen.

Da standen wir also, hatten nacheinander die schönen Lederschuhe von unserem Professor an, seinen Wollanzug samt Hemd und Krawatte, alles sehr feine Sachen, und auf einmal fühlten wir uns wie er. Selbstbewusst, präsent, entspannt. Es war ein Fototermin für ein Projekt, aber dabei wurde uns auch bewusst, was wir nach unserem Studium an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin machen wollten: Upcycling, Modedesign aus Kleidern anderer Menschen, aus Altkleidern. Weil diese Stücke eine Geschichte erzählen, weil es einfach so viele davon gibt, da wir uns alle gerne neue erfinden, und weil es in der Textilindustrie nur selten fair zugeht. Bei uns bekommen die Spender eine Nummer, mit der sie auf unserer Website verfolgen können, was aus ihren Sachen wird, und die Käufer erfahren, wo ihr neues Lieblingsteil herkommt. Das schafft Verbindungen.

Werde Magazin - SchmidtTakahashi

lässig, leger, elegant

Übrigens auch zwischen den Kleidungsstücken. Für uns sind die wirklich abgetragenen Sachen am spannendsten, die Spuren der Vergänglichkeit geben ihnen ihre eigene Schönheit. Was Menschen weggeben, entsorgen, soll wieder zu einem tollen Produkt werden – letztlich machen wir die Sachen immer auch für uns selbst.

Für unsere Unikate-Serie kombinieren wir etwa Teile von einem Blazer mit den Ärmeln eines Pullovers, eine abgewetzte Jeans wird zur Rückseite einer schicken Bundfaltenhosen (vorn), die Schnitte sind immer lässig, leger, elegant. Von unseren Kunden lieben insbesondere Japaner diesen manchmal seltsamen Mix. Das liegt wohl daran, dass es in ihrer Kultur einerseits viel Klarheit gibt, wie etwa im Zen, andererseits aber auch viel Mystik, mit Legenden von Göttern und Geistern.

Manchmal bekommen wir auch Kritik, der Preis dafür sei zu hoch, wir arbeiteten ja mit geschenktem Material, dafür solle man nicht bezahlen müssen. Wir entgegnen dann, dass wir die Kleiderspenden sammeln, waschen, archivieren, neue Ideen dafür entwickeln und etwas Überraschendes daraus schneidern. Und das darf, ja muss doch auch einen Wert haben.

Erinnerungen bewahren

Damit wir wirtschaftlich überleben, gibt es seit drei Jahren zusätzlich unsere Duplikate-Serie, die sich leichter vermarkten lässt und mit der wir seither auch auf der Fashion Week in Paris vertreten sind: Mode aus neuen Stoffen in verschiedenen Größen und Farben – und mit einzigartigen Elementen aus Altkleidern. So füttern wir ein Kleid zum Beispiel mit einem alten Karo-, ein anderes mit einem Streifenmuster aus einem in die Jahre gekommenen Mantel.

Upcycling aber wird uns immer heilig bleiben. Für einen befreundeten Kunden haben wir zum Beispiel Teile von gespendeten Pullovern mit Elementen vom Sakko seines Opas gemischt – dieses Kleidungsstück ist sein Ein und Alles, es bewahrt die Erinnerung an seinen Großvater. Und dann schrieb uns eines Tages ein Herr aus Süddeutschland, der ein Interview mit uns im Radio gehört hatte. Seine Frau sei schon vor Monaten verstorben, sie habe Mode und Kunst geliebt, und er habe es bisher nicht übers Herz gebracht, sich von ihren schönen Sachen zu trennen. Er wollte sie nicht einfach wegwerfen. Nun aber wisse er, wo er sie für ein weiteres Leben hingeben könne.