Diese Menschen haben einen oder gleich mehrere Schwärme. Sie tragen Sorge für die Bienengemeinschaft und erfahren dabei großes Glück.
Selbst Bienen zu halten ist eine spannende Herausforderung. Wir haben Hobbyimker besucht und sie befragt, welche Erfahrungen sie mit Bienen gemacht haben und was ihnen der Umgang mit den Insekten gibt.
Lynda und Björn Bäuerle
Als Notfall Sanitäterin beim Roten Kreuz und als Einsatzbeamter bei der Stuttgarter Berufsfeuerwehr blicken Lynda und Bjorn Bäuerle fast täglich hinter die Fassaden der Normalität. „Wenn man durch die Wohnungstüren tritt, sieht man, wie es den Menschen wirklich geht und dass vieles nicht in Ordnung ist“, sagen sie unisono über ihre Berufe, die interessant und erfüllend sein können, aber auch zehrend, anstrengend, frustrierend. In eine andere Welt tauchen sie ein, wenn sie sich vor die zwei Bienenstöcke in ihrem kleinen Garten hinterm Haus in Sindelfingen setzen und nichts anderes tun, als den Bienen beim Ein- und Ausfliegen zuzuschauen. „Sie bringen Leben in den Garten und gleichzeitig Ruhe und Gelassenheit, alles folgt einem Plan“, sagt Lynda Bäuerle. „Man realisiert: Das Einfache und das Normale machen einen glücklich, sie erden uns. “
Vor drei Jahren ist das Ehepaar mit seinen zwei Kindern in das Haus gezogen, das sie selbst renovierten und dessen Garten sie seither Stück für Stück grüner, lebendiger machen. Im vergangenen Jahr sind die Bienen dazugekommen, inzwischen haben die Bäuerles sechs Völker: Zwei stehen im Garten hinterm Haus, vier auf Flächen der Stadtwerke. Lynda Bäuerle besucht in diesem Jahr Seminare bei ProBiene, die ihr Mann schon im vergangenen Jahr absolvierte. Bjorn Bäuerle hat auch schon Kurse konventioneller Imker besucht und ist überzeugt, dass die wesensgemäße Art der Bienenhaltung für ihn die angemessene ist. Einige der üblichen Eingriffe halt er für unnötige Manipulationen, „zumal ich als Hobbyimker nicht von unseren Bienen leben muss. Unser Ziel ist es nicht, im nächsten Jahr mehr Honig zu produzieren als im vergangenen.“
Der Wert der Bienen bemisst sich für das Ehepaar anders. „Sie erklären einem die Jahreszeiten“, sagt Bjorn Bäuerle. „Plötzlich nimmt man wahr, was wann wachst und blüht. Im vergangenen Sommer fabrizierten Vater und Tochter aus Ringelblumen, Olivenöl und Bienenwachs eine Ringelblumensalbe. Und zu Weihnachten zogen sie Kerzen aus dem Wachs der eigenen Bienenvölker. Im letzten Winter ist eines ihrer Völker gestorben. Ein großes Volk, das immer so viel Wärme produzierte, dass der Schnee auf der Beute schnell schmolz. „Als wir den Stock öffneten“, erzählt Lynda Bäuerle, „waren nur noch wenige Bienen da, viele lagen tot am Boden. Das tut weh, und man fühlt sich verantwortlich, weil man als Hobbyimker so vieles ja noch gar nicht weiß.“ Aber die Bäuerles denken langfristig. „Wir sind Anfänger und müssen noch viele Erfahrungen sammeln und uns weiter ausbilden. Das ist unser Ziel. Wir bleiben dabei.“
Martin Krahl
Martin Krahl, Gymnasiallehrer für Englisch und Geografie, imkert schon seit zehn Jahren, aber die Geschichte zwischen ihm und den Bienen reicht viel weiter zurück. Als Kind verbrachte er viele Wochenenden und Ferien bei seinem Großvater, der in einem Dorf bei Augsburg zwei, drei Dutzend Bienenvölker hielt und imkernd 98 Jahre alt wurde. An seiner Seite stand oft sein Enkel, der die Bilder und Geschichten des Großvaters bis heute präsent hat: „Ich erinnere mich, wie er eine Kiste Bienen auf den Boden vor der Beute schüttete. Ich stand staunend dabei: Tausende von Bienen am Boden und in der Luft und mittendrin, ohne Schleier, mein Opa.“ Oder wie der Großvater bei der Honigernte die Waben aus den Beuten holte, die der Enkel dann – von Bienen verfolgt – im Schubkarren zum Schleudern in die Garten Hütte fuhr, in der es nach Honig und Propolis duftete.
Anfang Mai 2019 inspiziert Martin Krahl seine eigenen drei Beuten. Sie stehen vor einer Brombeerhecke im „interkulturellen & inklusiven Gemeinschaftsgarten“ im Freiburger Stadtteil Vauban, wo Krahl mit Frau und Kindern lebt. Den Bienen nähert er sich – wie der Großvater – grundsätzlich ohne Schleier, ansonsten aber imkert er nach den Grundsätzen der wesensgemäßen Bienenhaltung. Dazu gehört, dass die Tiere ihrem Schwarmtrieb folgen dürfen. Obwohl er es schon zigmal erlebt habe, wenn ein Schwarm aus seiner Beute auszieht, um sich durch Teilung zu vermehren, sei das immer noch ein unglaubliches Schauspiel: „Eine schwarze Wolke aus vielen Tausend Bienen, die sich im großen Kreis durch die Luft bewegen, und aus der Beute kommen immer mehr, es hört und hört nicht auf. Das ist wie eine Geburt, wie ein großes Ausatmen nach dem langen Winter in der Beute. Man kann es den Bienen einfach nicht verwehren, das auszuleben.“
Und anders als sein Großvater lässt Martin Krahl seine eigenen und die anderen Kinder im Gemeinschaftsgarten nah ran an die Bienen. Sie dürfen die Waben halten, den Finger in den Honigbereich tunken und alles ohne Schleier. „Der Umgang mit Bienen ist was fürs Herz“, sagt Krahl. „Wenn ich bei den Bienen bin, ist es, als stünde die Zeit für eine Weile still. Mich bringt das in die Ruhe und Kinder übrigens auch.“
Lisa Deister
Lisa Deister kümmert sich derzeit um zweierlei Arten von Brut, die noch nicht wirklich kompatibel sind: Sie ist Mutter eines wenige Monate alten Kindes und Besitzerin eines Bienenvolks, dessen Beute an einem sonnigen Hang im Stuttgarter Westen steht. Aber während sich ihr kleiner Sohn bestens entwickelt, trifft das auf ihre Bienen nicht zu – und auch das gehört zum Alltag eines Imkers. „Dieses Volk ist schon länger ein Sorgenkind“, sagt die junge Mutter.
Angefangen mit der Hobbyimkerei hat Lisa Deister vor fünf Jahren. Damals war die Landschaftsarchitektin noch Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Landschaftsplanung und Ökologie der Universität Stuttgart und Mitbegründerin des Urban-Gardening-Projekts „Stadtacker“ beim Nordbahnhof. Auf den dekontaminierten Flächen des ehemaligen Ausbesserungswerks der Deutschen Bahn entstand aus einer öden Brache eine bunte Künstlerkolonie mit vielen Gärten zwischen den Atelier- Containern. Bald kamen auch die ersten Bienenhalter darunter Tobias Miltenberger von der Stuttgarter Imkerei Summtgart. Lisa Deister war gleich dabei, gründete mit anderen den Bienenschutzverein Stuttgart (bienenschutzstuttgart. de) und fing 2014 ihren ersten Schwarm ein, der am Stuttgarter Ostendplatz in einer Hecke auf dem Parkplatz eines Supermarkts hing.
„Früher habe ich in Bienen Nutztiere gesehen, die Honig liefern“, sagt Lisa Deister. „Heute fiebere ich mit, wie es ihnen geht. Jeder neue Blick in die Beute ist aufregend, weil man nicht weiß, was einen erwartet. Dass es meine Bienen jetzt vielleicht nicht schaffen, das geht mir schon nahe.“ Einmal, als die Königin starb und es dem Volk nicht gelang, eine neue heranzuziehen, stapfte Lisa Deister hochschwanger einen Hang in Esslingen hoch, wo die Bienen zwischenzeitlich standen, im Gepäck eine neue Königin in einer Plastikbox mit Gitter. Auch sie starb, worauf das Volk sich mit einer eigenen Königin wieder selber half. Das Imkern mache einen aufmerksamer – für das Artensterben allgemein und für die bedrohliche Lage der Wildbienen im Besonderen, für die schwindenden Lebensräume für Tiere, für den Hunger der Honigbienen in landwirtschaftlichen Monokulturen, für den Versiegelungswahn der Moderne. „Man lernt sehr viel ganz nebenbei. “
Wenn sie zum Beispiel auf dem Balkon etwas umherfliegen sehe, „dann ist es eben nicht mehr die vermeintliche eine Biene, sondern ich erkenne, dass es in Wirklichkeit verschiedene Wildbienenarten sind, die sich da für die Pflanzen oder für ein Loch in der Wand interessieren“. Zu den Höhepunkten als Hobbyimkerin gehört für Lisa Deister die Honigernte. „Ein Freund, der im Stuttgarter Westen in einem Haus mit Garten wohnt, hat eine Schleuder im Keller. Wir bringen Kuchen mit und helfen beim Schleudern. Wenn der Honig an die Wand prasselt, langsam herunterlauft und man dann unten an dem Hahn den ersten Honig probiert – das ist schon ein ganz besonderes Erlebnis.“
Kerstin Stutzmann und Karlheinz Vetter
An den Tag, an dem sie ihr erstes Bienenvolk bekamen, erinnert sich Kerstin Stutzmann aufs Datum genau. „Die Bienenbeute war noch gar nicht aufgestellt, alles war ein bisschen hektisch“, und dann kam auch schon das Volk in einem Plastik Behälter, der Schwarmbox. Kerstin Stutzmann hat die Momente in einem Video festgehalten: wie die summende vibrierende Bienentraube am Deckel klebt, wie die Traube durch einen Schlag auf diesen Deckel zu Boden fällt und wie verstreut herumlag. „Wir dachten nur: Hoffentlich fliegen sie jetzt nicht weg. “ Um den Bienen ihr neues Zuhause schmackhaft zu machen hatte Karlheinz Vetter, Kerstin Stutzmanns Schwiegervater, das Innere der Beute mit Zitronenmelisse eingerieben. Und für ihren Weg vom Boden in die Beute hatte er aus einer alten Baumwollwindel eine Schräge gebaut. „Wir saßen eine Stunde da und verfolgten fasziniert, wie die ersten Bienen den Weg über die Windel in den dunklen Eingangsschlitz an der Beute fanden. Und dann ging der Run los: 5000 Bienen, ein richtiger Strom“, sagt Stutzmann.
Karlheinz Vetter war ähnlich berührt: „Es war erhebend, richtig feierlich, wie sie da einzogen in ihre neue Wohnung. Und als wir sahen, dass auch die Königin dabei war, wussten wir, dass alles gut geht.“ Kerstin Stutzmann ist Marketingmanagerin bei einem Energieversorger in Stuttgart; ihr Schwiegervater ist gerade in Rente gegangen, nach fast fünfzig Jahren in der Gastronomie. Zusammen belegten sie bei ProBiene einen Schnupperkurs und einen Folgekurs, um ihr erstes Bienenvolk übers Jahr zu begleiten.
Das steht jetzt auf dem Gartengrundstück am südlichen Rand von Stuttgart, wenige Kilometer vom Flughafen entfernt. Karlheinz Vetter sagt, er habe sich schon immer gern in der Natur bewegt, Kräuter gesammelt und getrocknet. Ihre Bienen sollen möglichst natürlich leben, ihrem Schwarmtrieb folgen können, ihre eigenen Waben bauen, sich von ihrem eigenen Honig ernähren können. Für Kerstin Stutzmann ist das Freizeitimkern eine Kombination aus vielen Vorteilen: „Man ist öfter draußen, kommt in Kontakt mit neuen Menschen, erntet sogar einige Gläser eigenen Honigs.“ Staunend lernte sie, „wie harmonisch es im Gewühl eines Bienenstocks zugeht, wie jede einzelne Biene ganz genau weiß, was ihre Aufgabe ist. Von ein paar Hilfestellungen abgesehen, brauchen die Bienen uns nicht. Jedenfalls weniger, als wir Menschen die Bienen brauchen.“