Chido Govera ist als Umweltaktivistin weltweit unterwegs. Zu Hause in Simbabwe züchtet sie Austernpilze auf ihrer Permakulturfarm.
Als Landwirtin, Aktivistin, Autorin, Unternehmerin und Adoptivmutter von sieben Waisenkindern hat Chido Govera eigentlich mehr als genug zu tun. Doch die Lebensqualität der Gemeinden und Dörfer in ihrer Heimat Simbabwe ist ihr wichtig. Mit großem Engagement bringt sie den Menschen bei, unabhängig zu wirtschaften und lehrt sie, aus Ernterückständen, Austernpilze zu züchten.
Die The Future of Hope Foundation (TFoHF), ist eine Organisation, die Chido zur Unterstützung von Frauen und Mädchen in den umliegenden Gemeinden gegründet hat. Sie möchte ihnen eine neue Perspektive zeigen und bringt ihnen die Pilzzucht bei. „Abfall ist das, was alle armen Leute in den Gemeinden haben, doch trotzdem leiden sie. Wie verändern wir die Art und Weise, wie wir auf diesen Überfluss schauen?“, fragt Chido. „Ist das wirklich Abfall oder womöglich ein Rohstoff, den wir nutzen und in etwas anderes verwandeln können?“ Doch bei der Stiftung geht es um etwas anderes.
Kraft zur Selbsthilfe
„Die Idee hinter TFoHF ist es, eine Plattform zu schaffen, wo Frauen und Mädchen sich entfalten können und die Unterstützung erhalten, die ihnen die Kraft zur Selbsthilfe gibt.“ Jungen Frauen und Mädchen Chancen zu eröffnen, ist der Aktivistin besonders wichtig. Denn als ihre eigene Mutter an Aids starb, wurde Chido mit sieben Jahren selbst Waise und alleinigen Versorgerin ihres fünfjährigen Bruders und ihrer Großmutter.
Schon damals wusste Chido, dass sie anderen helfen wollte. Mit acht Jahren hoffte das Kind, dass es ihm eines Tages möglich sein würde, anderen Kindern einen Ausweg aus ähnlichen Situationen zu zeigen. Schweren Herzens verließ sie als Neunjährige die Schule, weil sie ihre kleine Familie ernähren musste. Mit zehn entging sie nur knapp einer Hochzeit mit einem dreißig Jahre älteren Mann; und ein Jahr später lernte sie etwas, das ihr Leben für immer verändern sollte: An der Africa University in Mutare wurde sie durch die Zero Emissions Research and Initiatives (ZERI) Foundation an die Kultivierung von Austernpilzen herangeführt.
Mit Stärke und Mut
„Das war wie Magie“, erzählt sie und packte die Gelegenheit beim Schopf. Mit dem Geld, das sie durch den Verkauf der übriggebliebenen Ernte verdiente, schickte sie ihren Bruder und andere Waisenkinder der Gemeinde zur Schule. In ihrer Freizeit vertiefte sie ihr Wissen über den Pilzanbau und brachte sich mit einem Wörterbuch selbst Englisch bei. Mit sechzehn wurde sie an der Highschool angenommen und schloss erfolgreich ihre „Ordinary Levels“ ab, die simbabwische Qualifikation für die höhere Schule.
Trotzdem brach sie an dieser Stelle ihre Schulbildung ab: „Ich hatte das Gefühl, meine Zeit zu verschwenden und wollte lieber mein Wissen mit anderen teilen. Damit niemand mehr durchmachen musste, was ich als Kind erlebt hatte. Ich wusste ganz genau, was ich tun wollte. Ich hatte die Fähigkeiten und die Werkzeuge dafür und ich wollte hinausgehen und es endlich umsetzen.“ Ihr Adoptivvater Gunter Pauli, ein belgischer Umweltunternehmer und Gründer von ZERI, unterstützte sie in ihrer Entscheidung.
Chidos Leidenschaft für Pilze ist weiterhin vielfältig: Sie forscht inzwischen auch in Kolumbien, Serbien und China. Dort kann sie medizinische Pilze studieren, die, so hofft sie, HIV-Patienten in Simbabwe helfen könnten. Der Mykologe und Autor Paul Stamets ist eine ihrer größten Inspirationen – der Traum, einen Kurs bei ihm zu besuchen, wird dieses Jahr endlich wahr.
Ein Zuhause
Wenn Chido nicht gerade die Welt bereist und lernt oder lehrt, hält sie sich zu Hause in Christon Bank in der simbabwischen Provinz Mashonaland Central auf. Mehr als zweitausend Menschen aus der ganzen Welt hat sie mittlerweile persönlich unterrichtet – Menschen aus Australien über die Mongolei bis hin zu Simbabwe, von analphabetischen Frauen in Indien bis zu Berkeley-Absolventinnen in San Francisco.
Chido liebt ihr Land und erzählt von dem Nutzen, den Pilze ihm bringen. Es sind nicht nur Nahrungsmittel, sie versorgen die Menschen auch mit einem Einkommen und bereichern den Kompost mit lebendem Myzel (eine fadenförmige Ansammlung von Zellen, die den Pilz unterstützt), das die Bodenqualität immens verbessert. Es können mehr Arten von Nutzpflanzen angebaut werden als zuvor, was auch eine größere Vielfalt an Nährstoffen bedeutet. Die Pilzzucht macht weniger Arbeit als der Anbau von Nutzpflanzen oder Getreide, und der benötigte Platz und Aufwand belaufen sich auf ein Minimum.
Pilze eignen sich auch zur Reinigung der Böden. Chido berichtet von einem Experiment des Mykologen Stamets: „Er baute Pilze auf einem ölverseuchten Landstück an. Später waren sowohl das Stroh als auch der Boden sauber!“, ruft sie mit funkelnden Augen. „Für mich heißt das, mit Myzel könnten wir auch von Düngern ausgezehrte Böden wieder beleben. Es zersetzt das organische Material im Boden, hilft bei der Wasserspeicherung durch Belüftung und Reinigung des Wassers und es dient darüber hinaus als Dünger, denn indem es Materialien zersetzt, produziert es Nährstoffe, die Pflanzen zum Wachsen brauchen.“
Vielfältige Nährstoffe
Ein Spaziergang über die 1,5 Hektar große Farm der Stiftung bezeugt den Reichtum und die Vielfalt, die durch die Nebenprodukte der Pilze entstehen können. Simbabwische Grundnahrungsmittel wie Kürbis, Wassermelone, Gurken, Mais, drei verschiedene Bohnensorten und Sonnenblumen leuchten auf den sachte abfallenden Feldern. Chido zeigt auf verschiedene in Simbabwe heimische Früchte und Gemüsesorten, die sie in den Wäldern sammelt und dann züchtet. Sie ist sehr besorgt darüber, wie schnell diese wertvollen Ressourcen verschwinden, weil die Einheimischen sie für das „Essen des armen Mannes“ halten und nicht schnell genug von der Speisekarte streichen können. Auf Chidos Farm gibt es Kräuter in allen Duftnuancen und Größen, die Bienenschwärme und andere nützliche Pflanzenbestäuber anziehen.
Chido schmunzelt und zeigt auf ihre Gemüsebeete. „Wenn du diesen Ort gut kennst und dir anschaust, wie die Pflanzen wachsen, dann merkst du, dass das Wachstum da am besten ist, wo wir mit vielen der Pilzabfälle gedüngt haben.“ Sie haben den Boden weich und locker gemacht, sodass man mit dem normalerweise trockenen und unnachgiebigen Grund viel leichter arbeiten kann. „Alles, was wir heute hier anbauen, bietet uns eine größere Nährstoffvielfalt. Wir haben ein Modell, das wir das Pilz-und-Geflügel-basierte, ganzheitliche Nahrungsmittelproduktionssystem nennen. Es zielt darauf ab, den Leuten eine vielfältige Ernährung zu ermöglichen.“ Der Pilzabfall wird an die Hühner verfüttert und benutzt, um den Garten zu düngen. Die Ausscheidungen der Hühner wiederum werden im Gemüsegarten ausgestreut und der Abfall des Gartens ernährt die Hühner, die dann die Gemeinschaft mit Eiern und Fleisch versorgen.
Eine Hommage an die Natur
Viele der täglichen Aktivitäten auf Chidos Permakultur-Hof sind eine Hommage an die Natur. „Wir können viel von der Natur lernen, um die Qualität unserer Lebensmittel zu verbessern.“, erklärt sie. „Wir wissen etwa, dass natürliches Licht Pilze widerstandsfähiger und länger haltbar macht. Also versorgen wir unsere Pilze mit genügend natürlichem Licht. Es macht einen großen Unterschied.“
Für Chido ist die Kraft der Pilze, Abfall in etwas Positives zu verwandeln, eine Analogie dafür, wie sie ihr Leben lebt. „Ich bin in einer Umgebung aufgewachsen, die dachte, dass aus mir nichts werden würde – fast so wie Abfall. Pilze mithilfe von Kompost zu kultivieren, hat mir beigebracht, dass ich auch mein eigenes Leben immer in etwas Besseres verwandeln kann. Das hat mir wirklich geholfen, meine Sichtweise zu verändern.“ Chidos Aktivismus wird von der Vision geleitet, Veränderungen anzustoßen. Sie löst bei den Menschen, mit denen sie zusammenarbeitet, einen Prozess aus, der sie zum Umdenken bewegt. „Dabei mache ich einfach nur die Arbeit, an die ich glaube und die ich machen will“, sagt sie.