In den Bergen. „Ich bin froh, dass ich die Hütte endlich erreiche.” Stephan Bösch wandert in der Schweiz zur Alp Loch und beobachtet dort das Tagwerk der Sennerin Yvonne Weidle.
Blitz und Donner folgen kurz aufeinander, als ich hinauf zur Alp Loch marschiere. Ich bin froh, dass ich die Hütte endlich erreiche. Die Sennerin kommt mit einem Eimer frisch gemolkener Milch aus dem Stall. Der Rhythmus auf der Alp ist ein anderer als unten im Tal. Er richtet sich nach den Tieren, dem Wetter – nach der Natur. Die Tage sind lang und anstrengend. Nach getaner Arbeit legt man sich müde und zufrieden schlafen.
Hektik, wie man sie unten im Tal findet, kennt man hier oben nicht. Am Morgen um fünf ist Tagwache. Der Hund dreht sich im Kreis und kläfft aufgeregt, weil die Sennerin ihn fragt ob sie jetzt „Die Chüalis go holet“. In der Dunkelheit treibt sie die Herde Richtung Stall. Dies ist sehr aufwendig, weil die Tiere nicht immer an der gleichen Stelle äsen. Glockengeläut und die Rufe der Sennerin. Ansonsten Stille. Langsam kommen die Kühe Richtung Stall, während die Silhouetten der umliegenden Berge sichtbar werden. Als sie alle im Stall sind und endlich mit dem Melken begonnen werden kann, dämmert es bereits.
Nachdem zehn Kühe gemolken sind, gönnt sich Yvonne, die Sennerin, eine kurze Pause und trinkt einen heißen „Stallkaffee“. Wenn die Kühe wieder auf der Weide sind, kommt gewöhnlich Klaus, der benachbarte Senn, zum Frühstück. Tagsüber – während die Kühe draußen grasen und wiederkäuen – verarbeitet Yvonne die Milch zu Käse. Als Erstes Feuer unter dem „Käse- Chessi“ entfachen! Die noch kuhwarme Milch hat bereits die richtige Temperatur. Diese muss sehr genau stimmen, damit die Käseherstellung gelingt. Neben der Käseproduktion steigt die Sennerin auch in die Höhe, beobachtet die Herde, pflegt die Weide, mäht Unkraut und hat dabei Zeit, ihren Gedanken nachzuhängen. Die Sennerin begnügt sich nicht mit der Produktion eines gewöhnlichen Käsemutschli.
Es gibt eine Variation, die täglich mit Rotwein, Knoblauch und frischen Kräutern geschmiert wird. Die Kräuter hat sie vor der Alphütte in Töpfen angepflanzt. Schnell wird einem bewusst, dass jede Kuh einen eigenen Charakter hat. Mit der Zeit kann man sie mühelos unterscheiden. Ich bemerke sofort, dass Yvonne einen sehr ruhigen und sanften Umgang mit den Tieren pflegt. Entsprechend unaufgeregt geht es im sehr engen Stall zu und her. Oft kommen Wanderer vorbei, die ein Stück Käse kaufen. Während der paar Stunden oben in der Bergwelt saugen sie alles auf, was sie sehen und erleben. Der Käse als Produkt dient dabei nur als Mittler – wichtiger sind der Kontakt und die Gespräche mit den Älplern.