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Pestizide und versiegelte Flächen machen es Insekten schwer. Auch des Menschen liebstes Insekt, der Biene. Was die Bienen jetzt brauchen.

„Die Bienen leben! Das hatte ich nicht erwartet. Bei dem Feuer saugten sie sich mit Honig voll und schützten ihre Königin.“ Drei Tage nachdem im vergangenen April ein Feuer die Kathedrale Notre-Dame in Paris fast zerstörte, berichtet der dortige Kirchenimker Nicolas Geant bewegt und überrascht, wie es seinen Bienen geht. Anrufe von Menschen aus aller Welt hatten ihn erreicht, in Sorge um die drei Bienenstöcke auf dem Dach der benachbarten Sakristei.

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Ein organisches Lebewesen

Bienen halten also zusammen wie eine echte Großfamilie und verdienen unseren höchsten Respekt. Ihre kollektive Intelligenz und ihre Vitalität faszinieren Menschen seit Jahrtausenden: Bis zu 40.000 einzelne Tiere agieren wie ein einziges Lebewesen. Imker bezeichnen diesen Gesamtorganismus als „Bien“. Eine soziale Organisation, in der jedes Tier seine Aufgabe hat und die zum Beispiel während einer Futterkrise dafür sorgt, dass die knappe Nahrung gleichmäßig an alle verteilt wird. Dazu gehört auch ihr bis heute wissenschaftlich noch nicht restlos geklärter Schwarmtrieb, den selbst erfahrene Imker immer noch als ein einzigartiges Schauspiel bestaunen.

Er wolle nicht von einem „Bienensterben“ sprechen, sagt Imkermeister Tobias Miltenberger, der auch Geschäftsführer des Instituts ProBiene in Stuttgart ist. Lieber redet er von einer Krise in der Bienenhaltung und im Umgang mit der Natur.

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Für ihn und seine Kollegen, die für eine wesensgemäße Bienenhaltung stehen, geht es darum, Bienenhalter als Kultivierende zu betrachten, die die krisenhafte Beziehung zwischen Mensch und Biene neu definieren: „Wir wollen nicht gegen die Natur, sondern mit ihr arbeiten. Das bedeutet, dass wir den Organismus der Bienen nicht schwächen wollen und dass wir uns nach seinen Bedürfnissen richten. Zu den wichtigsten Faktoren gehört deshalb die natürliche Vermehrung des Schwarms, die Erschaffung einer eigenen Königin und der eigenständige Bau des Wabenwerks. Aber auch die Zusammensetzung des Biens als eine Einheit, die in der Regel aus Schwesterbienen besteht und nicht wahllos zusammengewürfelt wurde, ist eine grundlegende Notwendigkeit, um den Volksorganismus als Ganzes begreifen zu können. Die Integrität des Volks soll respektiert werden. Der Bien ist für uns kein Massenteil, das man so einsetzt, wie man es für richtig halt, sondern ein organisches Lebewesen.“

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Dank der Honigbienen gedeihen etwa Klee und Luzerne auf den Wiesen prächtig und dienen als Futtermittel für Kühe. Ohne die fleißigen, unermüdlichen Arbeitstiere hätten wir keine Milch in der Flasche und kein Steak auf dem Teller. Ohne ihre Bestäubungsleistung stünde es schlecht um die gesamte Welternährung: Fast alle Wild- und rund drei Viertel der Kulturpflanzen sind auf Insekten wie die Honigbiene angewiesen.

Unermüdliche Arbeitstiere

Als Bestäuber bilden sie den Anfang einer Wertschöpfungskette, deren Ende die Kirschen im Joghurt und die getrockneten Apfelringe im Bio-Supermarkt sind, die Blaubeermuffins in der Bäckerei, die Mandelsplitter auf dem Eis, auch die Gurkenrädchen im Salat. Vor einem Jahr räumte ein Laden in Hannover symbolisch sechzig Prozent seiner Produkte aus Regalen und Tiefkühltruhen: Obst und Gemüse, Kaffee und Kakao, Schokolade, Fertigpizzen, Säfte, Speiseöle, Babykost, sogar viele Pflegeprodukte und Gummibärchen, die mit Bienenwachs beschichtet sind, damit sie nicht aneinanderkleben. So also sähe ein Supermarkt aus, wenn wir keine Bienen mehr hätten.

Intensive Haltungsmethoden

So wichtig die Honigbienen für die Natur und den Menschen sind, so schlecht geht es ihnen inzwischen. Zwar hat sich die Zahl der Bienenstöcke seit den Sechzigerjahren fast verdoppelt. In Honigexportländern wie China nahm sie sogar stark zu, doch in Importregionen wie den USA und Europa verschwanden zeitweise Millionen von Völkern. Honigbienen wird es wohl so lange geben, wie Imker sie halten – freilich mit immer höherem Aufwand – und bei Bedarf nachzüchten können.

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Doch das Nutztier Nummer drei hinter Rind und Schwein wird hemmungslos übernutzt: Intensive Haltungsmethoden fördern Stress und Krankheiten, die Züchtung auf Honigertrag verdrängt natürliche Lebensäußerungen wie den Schwarmtrieb und schwächt ihre Widerstands- und Anpassungsfähigkeit, ihr Nahrungsangebot in den „grünen Wüsten“ der flurbereinigten Monokulturen wird knapper, schließlich setzen ihr Pestizide und andere Umweltgifte zu. „Die Honigbiene hat es mit einer Reihe lebensfeindlicher Einflüsse zu tun. Deshalb brechen immer wieder große Bestände zusammen. Winterverluste von dreißig bis fünfzig Prozent sind keine Seltenheit“, weiß Tobias Miltenberger. „Gegenmaßnahmen wie die Zufütterung mit Zuckerwasser bereits im Sommer, wie der Zukauf neuer Volker oder der weltweite Handel mit gezüchteten Königinnen sind nicht nachhaltig. Davon würde die Vitalität der Honigbiene schwinden.“

Einzelgänger Wildbiene

In ihrer Gefährdung stehen die Honigbienen beispielhaft für große Teile der Insektenwelt. Als Bestäuber von Kulturpflanzen ermöglichen sie nicht nur das große, reichhaltige Nahrungsmittelangebot, sondern tragen auch zur Biodiversität von Wildpflanzen maßgeblich bei. Auch Fliegen, Schmetterlinge, Wespen, Käfer oder Motten tragen Pollen von Blüte zu Blüte, ebenso die Wildbienen, von denen es weltweit mehr als 20.000 Arten gibt. Und sie alle sind mehr oder weniger stark bedroht. Sowohl viele einzelne Arten als auch die Zahl ihrer Individuen, die massiv zurückgeht.

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Bezeichnet werden die Tiere als Biomasse. Wildbienen zum Beispiel, von denen allein in Deutschland fast 600 Arten beschrieben sind, leben meist solitär, also nicht im Volk wie die Honigbiene. Sie sind hoch spezialisiert auf eng umgrenzte Biotope mit ganz bestimmten Nahrungspflanzen und Bedingungen für den Bau ihrer Nistplätze. Gleichzeitig sind sie sehr nachhaltige Bestäuber von Obstbaumen, Beerensträuchern und Feldfrüchten. Die Malven-Langhornbiene zum Beispiel sucht Pollen ausschließlich auf Malvengewächsen, während die Harzbiene ihre Brutzellen aus Harz baut, in den sie Röhrchen für die Luftversorgung der Larven einarbeitet. Die Goldene Schneckenhaus-Mauerbiene braucht leere Schneckengehäuse als Nistplatz, während die Garten-Wollbiene ihr Nest nur aus Pflanzenhaaren baut. Bestimmte Arten der Mauerbiene sind auf Gedeih und Verderb auf die Wachsblume angewiesen, die es in ganz Deutschland nur noch an ganz wenigen Standorten gibt.

Fehlt etwas in diesem Geflecht gegenseitiger Abhängigkeiten, kann das kleine Ökosystem zusammenbrechen und Kreise ziehen für weitere Systeme, in die Vogel, Säugetiere, Reptilien und Amphibien verwoben sind.

Ein wunderbares Geschenk

Dass Bienen schlau sind, wird jedem klar, der auch nur an einem sonnigen Sonntagmorgen in seinem Garten sitzt und ihnen ganz in Ruhe über längere Zeit zusieht. Der Neurobiologe und Bienenforscher Randolf Menzel und der Philosoph Matthias Eckoldt beschreiben die faszinierenden Fähigkeiten der Tiere („Die Intelligenz der Bienen“, Albrecht Knaus Verlag). Wie ihr kleines Gehirn denkt, plant, zählt und träumt, wie sie sehen, riechen, lernen und elektrische Felder wahrnehmen, wie sie den Superorganismus Bienenvolk mit seinen vielen Tausend Tieren steuern. Darüber hinaus ist Menzel auch einem Strang der Zusammenhänge zwischen Bestäubern und ihrer immer feindlicheren Umwelt auf der Spur. Er beschäftigt sich seit mehr als fünfzig Jahren mit Insekten und insbesondere mit Honigbienen. Zusammen mit zwanzig Imkern nutzen Menzel und sein Team die Honigbiene als Modellorganismus und Indikator für den Zustand von Ökosystemen.

Gleichsam als Umweltspäher, die anzeigen, wie stark Felder und Wälder mit Pestiziden belastet sind. Basis dabei ist die Kommunikation der Bienen, genau genommen die subtilen elektrostatischen Felder, die bei den Bewegungen ihrer Körpers entstehen. „Wir können das soziale Gefüge eines Bienenvolkes messen und so Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des Volkes ziehen“, sagt Menzel. Die Biene ist also ein Verbündeter des Menschen, ein Nutztier, das nicht nur Honig liefert, Nahrungspflanzen bestäubt und zu artenreichen Landschaften beitragt, sondern auch dabei hilft, menschengemachte Probleme anzugehen.

Rettet die Bienen

„Bees are the champions“ stand auf einem Bildschirm, als in Bayern Naturschützer Anfang des Jahres den Erfolg des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ feierten, das 1,7 Millionen Menschen unterzeichnet hatten. Wenig später kündigte die bayerische Staatsregierung an, den Gesetzentwurf des Volksbegehrens unverändert zu übernehmen und mit zusätzlichen Bestimmungen in ein „Versöhnungsgesetz“ zu überführen.

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Dazu gehören unter anderem zusammenhängende Lebensräume (Biotopverbunde), mehr ökologisch bewirtschaftete Flachen und geringerer Pestizideinsatz, mehr Wissensvermittlung über die Artenvielfalt bei der Ausbildung von Landwirten und in Schulen und die Umwandlung von mindestens zehn Prozent des Grünlands in Blühwiesen. Was die Biene uns Menschen bedeutet und was wir aus ihrem aktuellen Befinden lernen könnten, beschreibt vielleicht am besten Tobias Miltenberger: „Der gegenwärtige Blick auf die Bienen macht nachdenklich und bietet die Chance, unsere Zukunft lebenswert zu gestalten. Uns wurde das wunderbare Geschenk zuteil, mit und von den Bienen zu leben.“