Pro Stunde landen in Deutschland 320.000 Einwegbecher im Müll. Das Start-Up Recup aus München hat für dieses Problem eine gute Lösung: Mehrwegbecher in Cafés und Bäckereien. Die nachhaltige Alternative kostet einen Euro Pfand und man kann bei den teilnehmenden Läden wieder zurückgeben. Perfekt für alle, die sich keinen eigenen Mehrwegbecher kaufen möchten oder ihren eigenen vergessen haben.
Fabian Eckert und Florian Pachaly haben Recup 2016 gegründet, mittlerweile sind fast 5000 Cafés und Bäckereien, außerdem große Ketten wie Alnatura, Mc Donalds und Shell dabei. Wir haben mit Gründer Fabian über das Müllproblem in Deutschland, nachhaltige Unternehmensführung und das neueste Produkt, die Rebowl, gesprochen.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, einen Mehrwegbecher zu entwickeln?
Fabian Eckert Flo und ich hatten unabhängig voneinander vor ein paar Jahren dieselbe Idee. Ich habe damals Nachhaltigkeitsmanagement in Schweden studiert. Im Rahmen eines Projekts sollten wir eine Idee zum Thema Nachhaltigkeit an der Uni entwickeln. Überall stapelten sich die Einweg-Kaffeebecher, also habe ich eine Mehrwegalternative vorgeschlagen.
Meinem Professor gefiel die Idee zwar nicht, aber mich hat das Thema nicht mehr losgelassen. Bei meinem Mitgründer Flo war es ähnlich. Auch er hat an der Uni einen Pitch eingereicht. Innerhalb von einer Woche haben wir dann dieselbe Person kontaktiert, die sich in dem Bereich politisch engagiert – und die hat uns miteinander vernetzt.
„Ich finde es schöner, Dinge gemeinsam zu machen. Vor allem bei einer Gründung braucht man eine starke Schulter.“
Wenn man so eine Idee hat, will man das dann nicht alleine machen?
Fabian Eckert Es gibt so eine schönen Satz aus dem Film Into the wild: „Happiness ist only real, when shared“. Ich finde es schöner, Dinge gemeinsam zu machen. Vor allem bei einer Gründung braucht man eine starke Schulter. Wenn man sich gegenseitig stützen kann, ist der Weg wesentlich einfacher.
Wie ist es mit jemandem zu gründen, den man gar nicht kennt?
Fabian Eckert Im Nachhinein war es super, dass wir nicht befreundet waren wie viele andere Gründer. Dadurch können wir die Arbeit und unser Privatleben gut voneinander trennen. Zudem kommen Konflikte bei uns immer schnell auf den Tisch und werden auch fix gelöst. Ich glaube, in einer Freundschaft ist es oft schwieriger berufliche Konflikte ansprechen. Dabei muss man sich in einer Zusammenarbeit immer schnell gegenseitiges Feedback geben können – auch bei unbequemen Themen.
Aus welchem Material bestehen eure Becher?
Fabian Eckert Die Becher sind aus Polypropylen, also aus Kunststoff. Es gibt viele Gründe, warum wir uns für dieses Material entschieden haben: Es ist leicht, was gut für unseren Transport ist. Zudem bruchsicher und spülmaschinenfest, also leicht zu reinigen. Und es ist auch geschmacksneutral und recycelbar. Im Moment ist Polypropylen die beste Lösung für Recup. Noch besser wäre es natürlich, wenn wir in paar Jahren einen komplett biobasierten Kunststoff verwenden könnten. Aktuell gibt es aber leider keine Alternative, die nachhaltiger ist.
So nachhaltig ist der Recup-Becher
Wie oft können die Becher wiederverwendet werden? Was passiert danach mit ihnen?
Fabian Eckert Wir haben selber schon Tests mit tausend Waschgängen in der Spülmaschine gemacht. Die im Büro haben wir wahrscheinlich sogar schon häufiger gewaschen. Es hängt natürlich immer davon ab, wie mit den Bechern umgegangen wird – ob sie im Fußraum vom Auto rumfliegen oder gleich zurückgegeben werden.
Aber gibt es nicht auch Becher, die nie zurückgebracht werden?
Fabian Eckert Die gibt es ganz bestimmt. Deshalb appellieren wir an unsere Kunden, jeden Becher zurückzugeben. Denn nur, wenn ein Recup oft genutzt wird, ist er auch wirklich nachhaltig!
Wer stellt eure Mehrweg-Becher und -Lunchboxen eigentlich her?
Fabian Eckert Wir produzieren mit einem Familienbetrieb aus dem Allgäu – sowohl den Recup als auch unsere neue Rebowl für Essen to go. Uns war wichtig, dass es ein regionales Unternehmen ist, das wie wir nachhaltige Werte vertritt. So wird dort beispielsweise viel Solarenergie genutzt und es werden Geflüchtete eingestellt.
„Ob eigener Thermobecher oder Recup – Hauptsache, man nutzt überhaupt einen Mehrwegbecher!“
Das Material ist recycelbar – was passiert nach der Lebensdauer?
Fabian Eckert Das Material wird wiederverwendet, allerdings nicht mehr für einen Gegenstand, der mit Lebensmitteln zu tun hat. Im Moment gibt es leider noch kein Polypropylen-Rezyklat, das lebensmittelecht ist. Man kann aber zum Beispiel eine Werkzeugkiste daraus herstellen.
Was ist nachhaltiger: Recup oder ein eigener Becher?
Fabian Eckert Das hängt davon ab, welchen Becher man sich kauft und wie oft man ihn benutzt. Der Vorteil von Recup ist der deutlich geringere Materialeinsatz – wir verwenden kein Metall oder Gummi für die Isolierung. Eigene Thermobecher müssen deutlich öfter genutzt werden, damit sie sich rentieren. Aber eigentlich ist es egal, Hauptsache man nutzt überhaupt einen Mehrwegbecher!
Was haben die Cafés davon, die bei euch mitmachen?
Fabian Eckert Zum einen erhöht man mit einem Pfandsystem die Kundenfrequenz im Laden. Das schafft sonst eigentlich nur gutes Marketing und das ist entweder aufwendig oder teuer. Zum anderen kann man sich mit uns zum Thema Nachhaltigkeit positionieren. Und die Betriebe haben eigentlich keine Extrakosten: Wir finanzieren uns durch eine Systemgebühr, die monatlich zwischen 25 und 45 Euro liegt. Meistens geben Gastronomen den selben Betrag für Plastikbecher aus.
Was Corona mit Verpackungsmüll zu tun hat
Starbucks verbraucht Milliarden von Pappbechern pro Jahr. Ist es euer Ziel, mit Ketten zusammenzuarbeiten oder ist das unmöglich?
Fabian Eckert Zuerst einmal muss man stark unterscheiden zwischen Starbucks USA und Europa. Wir waren letztes Jahr bei der Next Generation Cup Challenge dabei und haben dort mit McDonalds und Starbucks, an nachhaltigen Mehrwegalternativen gearbeitet. Starbucks setzt sich schon mit dem Thema auseinander. Aber es würde definitiv noch stärker gehen. Sie wären ein toller Kooperationspartner. Gleichzeitig darf man auch nicht vergessen, wie viele To-Go-Becher all die kleinen Cafés und Bäckereien zusammen verbrauchen. Diese Massen an Müll entstehen hier genauso.
Was sagst du zu der komplett nachhaltigen Alternative Kaffee gar nicht mehr mitzunehmen, sondern sich immer Zeit zum Hinsitzen zu nehmen?
Fabian Eckert Das finde ich eine wahnsinnig schöne Idee. Wenn das so wäre, gäbe es uns zwar nicht, aber dafür hätten wir auch kein Problem, das wir lösen müssten. Nur leider zeigen die Zahlen was anderes: Coffee-To-Go ist seit über zehn Jahren ein Trend, der stetig wächst. Auch das steigende Angebot an Take-Away spricht leider eher dafür, dass Menschen sich nicht die Zeit nehmen, um vor Ort zu konsumieren.
„Dass der To-Go-Becher kritisiert wird, ist richtig. Aber unser Müllproblem kommt nicht nur davon.“
Ich habe gelesen, dass der Verpackungsmüll seit März 2020 um zehn Prozent gestiegen ist.
Fabian Eckert Das hat mit Corona zu tun! Verpackungsmüll ist gerade wieder ein großes Thema, weil in der Krise alles To-Go verkauft wurde. Jeder Gastronom hat natürlich trotzdem versucht, sein Produkt anzubieten und das Ganze sicher zu gestalten. Wir hoffen, dass unsere neue Rebowl da Abhilfe schafft. Denn die kann der Kunde wie unseren Recup einfach beim nächsten Restaurantbesuch zurückbringen.
Fast 60 Prozent des Verpackungsmülls kommt von Essen, das mitgenommen oder bestellt wird – warum ist dann eigentlich der To-Go-Becher immer der Bösewicht?
Fabian Eckert Ich glaube, das liegt zum einen daran, dass der Becher omnipräsent ist. Man sieht ihn jeden Tag und da er viel Platz braucht, ragt er meistens aus einem vollen Mülleimer heraus. Zum anderen kämpft er wahrscheinlich auch einen Stellvertreterkrieg – so wie die Plastiktüte.
Der Coffee-To-Go Becher ist zum Symbolbild unserer Wegwerfgesellschaft geworden. Und auch wenn er nicht zu den schlimmsten Müllproduzenten gehört, ist er immerhin auf der Top-Ten-Liste an Müll, den man in der Natur wiederfindet. Dass der To-Go-Becher kritisiert wird, ist richtig. Aber unser Müllproblem kommt nicht nur davon.
Wenn es um das Thema Klimawandel geht, was tut dir am meisten weh?
Fabian Eckert Mir tut grundsätzlich die Mentalität weh, dass etwas produziert und um die halbe Welt geschifft wird, damit es hier fünf Minuten in Benutzung ist und dann im Müll landet. Daran sieht man gut, was alles falsch läuft! Meine Motivation bei Recup war von Anfang an auch, Aufklärungsarbeit bei dem Thema Müllvermeidung zu leisten. Der Kaffeebecher ist ein gutes Einstiegsprodukt, um seinen Plastikverbrauch generell einmal zu hinterfragen.
Auch Kleinigkeiten machen einen Unterschied
Was denkst du, was jeder von uns ganz leicht ändern könnte, um die Welt ein bisschen besser zu machen?
Fabian Eckert Kaffee im Mehrwegbecher trinken, natürlich (lacht)! Es gibt viele Bereiche, man muss zum Einstieg nur etwas finden, das einem leicht von der Hand geht. Ich hab für mich das Thema Fair Fashion entdeckt – es ist mittlerweile so einfach und günstig nachhaltige Kleidung zu kaufen.
Ansonsten sind es die Kleinigkeiten, die den Unterschied machen: das Obstnetz und einen Baumwollbeutel zum Einkaufen mitnehmen sowie unnötig verpackte Produkte einfach nicht kaufen. Bei mir ist es mittlerweile so: Wenn ich keine Pilze ohne Plastikverpackung bekomme, dann gibt’s eben keine!
Habt ihr sonst auch intern nachhaltige Ansätze in eurem Unternehmen?
Fabian Eckert Ja, einige! Bei den meisten For-Profit-Organisationen gehen die Gewinne in die Taschen von Einzelpersonen – wir machen das anders und reinvestieren diese in neue Projekte. Was wir erwirtschaften, wird also sofort in neue Entwicklungen gesteckt. Unter dem sozialen Gesichtspunkt versuchen wir nach wie vor sehr innovativ zu arbeiten. Auch wenn das mit der wachsenden Größe der Firma immer schwieriger wird.
„Wer bin ich, um meinen Mitarbeitern zu sagen, dass 30 Tage Urlaub reichen müssen, um sich zu erholen?“
Was läuft bei euch anders als bei anderen Firmen?
Fabian Eckert Am Anfang hatten wir noch komplett selbst bestimmte Gehälter. Mittlerweile haben wir einen Gehaltsrat, der aus sieben Mitarbeitern besteht. Wir beziehen bei der Verhandlung immer sowohl den Menschen und seine aktuelle Lebenssituation, als auch seine Position und den Ausbildungsweg mit ein. Alle Mitglieder schlagen dann eine Gehaltsvorstellung vor. Der kleinste und größte Wert werden gestrichen und aus den restlichen Angeboten ein Mittelwert gefunden.
Die Trennung von Macht und Geld
Außerdem kann sich jeder bei uns so viel Urlaub nehmen, wie er möchte. Wer bin ich, um meinen Mitarbeitern zu sagen, dass 30 Tage Urlaub reichen müssen, um sich zu erholen? Der eine braucht nur 24, der andere 40 Tage – jeder ist anders. Wir setzen einfach ganzheitlich darauf, dass sich unsere Mitarbeiter selbst organisieren und für sich verantwortlich sind.
Aber es gibt trotzdem ein Teamgefühl?
Fabian Eckert Auf jeden Fall! Obwohl wir Arbeit auf Vertrauensbasis anbieten und jeder von dort arbeiten kann, wo er möchte, geht es natürlich unterm Strich darum, dass es für das Team funktioniert. Wir arbeiten gemeinsam an etwas und dieser Prozess soll nicht gestört werden.
Gemeinsamer Urlaub gehört dazu
Eine weitere schöne Teambuilding-Maßnahme, die wir bei uns haben: die Drei-Prozent-Regel. Wir geben alle drei Prozent von unserem Jahresgehalt in einen Topf. Natürlich auf freiwilliger Basis. Und davon bezahlen wir dann einen Urlaub oder eine Unternehmung. Letztes Jahr waren wir gemeinsam zehn Tage in der Toskana. Das Schöne ist, dass die Mehrverdiener mehr einzahlen und die, die weniger verdienen, ihrem Gehalt angepasst etwas geben – am Ende hat aber jeder gleich viel von dem Ausflug.
„Es erscheint uns nur logisch, dass wir das erwirtschaftete Geld wieder in Müllvermeidung investieren.“
Was habt ihr auf dieser Ebene noch geplant für Recup?
Fabian Eckert Im Moment setzen wir uns stark mit dem Thema Verantwortungseigentum auseinander. Es geht darum, Macht und Geld voneinander zu trennen. Das klingt erst einmal sehr idealistisch, aber der Grundgedanke ist absolut realistisch: Die Menschen, die Entscheidungen im Unternehmen treffen, sollen sich durch diese nicht selbst bereichern können. Wir streben an, uns in eine solche Gesellschaftsform umzuwandeln. Dann erhalten Mitarbeiter ein Stimmrecht und treffen wichtige Entscheidungen mit. So kann man keine Gewinnausschüttung mehr in einer Firma machen oder das Unternehmen einfach so verkaufen.
Ich finde das nur fair, denn das Unternehmen sind längst nicht mehr nur der Flo und ich. Unsere Mitarbeiter machen es zu dem, was ist es. Wir existieren nur, weil 35 Leute mit uns an etwas arbeiten. Das erscheint uns außerdem nur logisch, dass wir das erwirtschaftete Geld wieder in Müllvermeidung investieren.
Interview: Anja Schauberger
Fotos: Recup