Gut Haidehof Regenerative Landwirtschaft

„Der Kern ist das Soziale“

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Wie findet man Gleichgesinnte für ein Wohnprojekt? Und was sollte man alles beachten, wenn man sich für ein Wohnen in Gemeinschaft interessiert? Dr. Josef Bura vom FORUM Gemeinschaftliches Wohnen hat die wichtigsten Tipps mit uns geteilt.

Wohnen in Gemeinschaft Marko Mestrovic

Womit fange ich am besten an, wenn ich mich für ein Leben im Wohnprojekt interessiere?
Josef Bura Der erste Schritt ist, sich bei Freunden oder in der Gemeinde umzuhören, ob sie auch Interesse haben. Man könnte auch Anzeigen vor Ort aushängen oder online kostenlos eine Annonce in der Projektbörse des FORUM Gemeinschaftliches Wohnen aufgeben. Oder etwa bei den Regionalstellen des FORUM und beim Wohnprojekteportal der Stiftung trias nachschauen, ob ein Projekt in Planung ist.

Welche Tipps haben Sie für Menschen, die sich für ein Leben in der Gemeinschaft interessieren?
Josef Bura Generell sollten sie offen sein für andere und deren Meinungen. Außerdem gesellig und stressresistent. Denn manchmal dauert es lange, bis Entscheidungen getroffen sind, die von allen getragen werden, oder bis Probleme, anders gesagt Aufgaben – zum Beispiel die Grundstückssuche – gelöst sind.

Von der Gründung bis zum Einzug – wie lange dauert es überhaupt, bis ein Projekt realisiert ist?
Josef Bura Vier bis sechs Jahre braucht es in der Regel mindestens, bis ein Projekt auf die Beine gestellt ist. Geduld und Zeit sind also nötig, weil es viel zu erledigen gibt und man immer versucht, alle mitzunehmen: Sich mit einer Gruppe zusammenfinden, dann eine Immobilie finden, diese zu finanzieren und auf einzelne Wünsche einzugehen.

Welche Stolpersteine kann es auf dem Weg zum gemeinschaftlichen Wohnen geben?
Josef Bura Aller Anfang ist nicht ganz leicht. Aber: Nicht gleich aufgeben, sondern sich Hilfe holen. Es gibt FORUM-Regionalstellen, meist unabhängige Organisationen, die sehr gut vernetzt sind und viel Erfahrung haben. Man sollte niemals alleine ein Projekt machen wollen, sondern sich frühzeitig einen Projektbetreuer als Ratgeber suchen und sich fachlich beraten lassen. Es braucht von Anfang an Profis, die helfen, so ein Projekt zu realisieren und die wissen, wann welche Aufgaben wie gelöst werden können. Es ist hilfreich, wenn es in der Region eine professionelle Struktur an Fachleuten gibt. Diese wissen, wie man mit Gruppen umgeht und können die Gruppenmitglieder auf den Boden der Tatsachen zurückführen, wenn zum Beispiel die Wünsche überborden und in keinem Verhältnis zu den verfügbaren Finanzen stehen.

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Ist es sinnvoll, dass en Coach den Gemeinschaftsprozess unterstützt?
Josef Bura Der Kern eines Projekts für gemeinschaftliches Wohnen ist das Soziale, die Achtsamkeit miteinander. Das ist nichts, was man hat und dann ist es für immer da. Man muss etwas dafür tun. Es ist in solchen Gruppen wie in einer Beziehung: Allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Das hat einmal Hermann Hesse formuliert. Aber im Alltag kann es auch zu Konflikten kommen. Dass man in einer Gruppe nicht einer Meinung ist, kommt häufiger vor, als man am Anfang denkt. Das sollte man wissen und beachten, weil Auseinandersetzungen zum Leben gehören. Es gibt unendlich viele Dinge, bei denen man unterschiedlicher Meinung sein kann – Geld ist ein beliebtes Thema. Deshalb braucht es manchmal auch hier Profis, die eine Gruppe begleiten.

Viele Menschen sehnen sich nach einem Wohnen in Gemeinschaft, fürchten sich aber zugleich davor, irgendwann feststellen zu müssen, dass sie sich nicht mit den anderen verstehen. Angenommen, ich habe eine Gruppe gefunden: Wie finde ich heraus, ob ich zu ihr passe?
Josef Bura Man muss auf sein Bauchgefühl achten. Fühlt man sich in der Gruppe wohl und angenommen? Ganz wichtig: Sind in der Gruppe Menschen, die ich interessant finde und mit denen ich gerne zusammen bin? Genauso wichtig ist: Man muss nicht alle liebhaben. Um Menschen kennenzulernen, sollte in solchen Gruppen nicht nur diskutiert werden. Man kann ruhig auch mal gesellig sein – um zu merken, ob die Grundstimmung als positiv wahrgenommen wird und ob man auch im Alltag gerne mit den Gruppenmitgliedern zusammen ist.

Was mache ich, wenn es in meiner Umgebung kein Wohnprojekt gibt?
Josef Bura Dann kann man versuchen, selbst eines zu initiieren. Tipps dazu gibt es in der FORUM-Broschüre „Neues Wohnen im Alter: Ein Leitfaden für Neugierige“. Sie gilt für alte wie für junge Menschen und kann von unserer Website kostenlos heruntergeladen werden.

 

Zur Person

Dr. Josef Bura ist Theologe und Sozialwissenschaftler. Viele Jahre war er Vorstandsmitglied beim Wohnbund, einem Verband zur Förderung wohnpolitischer Initiativen. Seit 2010 engagiert er sich als Vorsitzender in der Bundesvereinigung „FORUM Gemeinschaftliches Wohnen“. Zu deren Kooperationspartnern gehören etwa die Stiftung trias und das Netzwerk Immovielien. Ihre Ziele: die Wohnvielfalt und den Zusammenhalt im Leben zu fördern und Interessierte über das Wohnen in Gemeinschaft zu informieren.

Interview Susi Lotz
Foto Marko Mestrovic, Jewgeni Roppel

Auf einen Blick: Hilfreiche Links, Bücher und Seminare zum Leben und Wohnen in Gemeinschaft.