Die Wohnung gründlich sauber machen lassen und dabei ein gutes Gewissen haben – das möchte das Putz-Startup „Klara Grün“ in Berlin ermöglichen. Dafür setzen die beiden Gründerinnen Julia Seeliger und Luise Zaluski auf ökologische und soziale Verantwortung. Und auf selbstgemachte Reinigungsmittel.
Ihr bezeichnet euer Unternehmen als „ökofaire Raumpflege für Berlin“. Was unterscheidet euch von anderen Putz-Dienstleister*innen?
Luise Zaluski Unsere Kunden würden sagen, dass wir der Putzdienst sind, bei dem sie kein schlechtes Gewissen haben: Wir stehen für faire, weil übertarifliche Bezahlung und verwenden ausschließlich ökologische Reinigungsmittel. Wir Gründerinnen selbst sagen, dass wir besonders sind, weil wir mit unserem Putz-Startup Klara Grün einige Branchen-Prinzipien einfach auf den Kopf stellen. Nämlich “möglichst billig, möglichst fix, möglich unsichtbar”.
Julia Seeliger Wir haben uns gedacht: Die Reinigungsbranche ist das beschäftigungsstärkste Handwerk in Deutschland. Das muss doch auch anders, und zwar ökologisch und sozial verträglich funktionieren. Also haben wir uns hingesetzt und das Geschäftsmodell von Klara Grün entwickelt: Sauber. In gut.
Wie ist die Idee für euer Startup entstanden?
Julia Seeliger Wir beiden kennen uns seit unserer Arbeit bei Original Unverpackt, einem verpackungsfreien Supermarkt. Dort verantwortete Luise den Bereich Geschäftsentwicklung und ich das Marketing und die Unternehmenskommunikation. Wir dachten nicht im Traum daran, gemeinsam eine Handwerksfirma zu gründen, als wir uns darüber unterhielten, wie schwer es ist, eine Putzkraft nach unseren Vorstellungen zu finden: Für uns kamen weder die klassischen Chemie-Reiniger noch illegale Beschäftigung oder prekäre Solo-Selbstständigkeit in Frage. Nachdem wir nicht fündig wurden, haben wir es eben selbst gemacht.
Luise, du bezeichnest dich auf Instagram als „Putzfluencerin“. Ist das ein Ziel von euch – einen Einfluss auf das Putzverhalten der Menschen zu nehmen?
Luise Zaluski Wir haben schnell gemerkt, dass viele Menschen sich für unser Unternehmen und unsere Putz-Passion interessieren. Das finden wir großartig! Leider können wir mit unserer Dienstleistung (noch) nicht alle Haushalte in Deutschland erreichen. Also nutze ich die sozialen Medien, um möglichst vielen Haushalten dabei zu helfen, ihren Alltag ökologischer zu gestalten. Der Umstieg auf Öko ist einfach, macht Spaß und spart Geld. Ich zeige auf Instagram, wie man mit einfachen Hausmitteln und der richtigen Technik alle Räume einfach sauber bekommt.
Warum tut ihr das, was ihr tut – was ist euch besonders wichtig?
Julia Seeliger Wir möchten mit den Vorurteilen gegenüber unserem Handwerk aufräumen und das Thema Reinigung positiv besetzen. Das gelingt uns, in dem wir für unser Berufsbild Begeisterung wecken. Wir wollen erreichen, dass Reinigungskräfte endlich die Wertschätzung erfahren, die sie verdienen. Wenn uns gerade niemand zuhört, formulieren wir unsere Mission immer so: “Make putzen great again!”
Warum heißt euer Startup „Klara Grün“?
Luise Zaluski Klara Grün, ein weiblich klingender Name, steht in erster Linie für ein Gesicht, für Persönlichkeit in einer ansonsten eher intransparenten, unsichtbaren Branche. Zudem steckt eine Referenz zu „klar“, also sauber und nachhaltig darin – unser Kundenversprechen.
Julia Seeliger Uns Gründerinnen ist es ein Anliegen, Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass ein Großteil der sogenannten „Putzfrauen“ weiblich, die Führungsriege der größeren Reinigungs-Unternehmen jedoch fast ausschließlich von Männern besetzt ist. Wir sind der Überzeugung, dass unsere auch Branche von einer weiblich geprägten Unternehmenskultur profitieren kann. Die Gebäudereinigungs-Branche wächst seit Jahren konstant – es ist an der Zeit, dass insbesondere Frauen auch fair für Ihren Beitrag daran entlohnt werden.
Auf welche Hürden seid ihr bei der Gründung gestoßen oder stoßt ihr immer noch?
Julia Seeliger Bleiben wir beim Thema Gründerinnen: Nur knapp ein Viertel der Startup-Gründungen sind von Frauen initiiert. Zudem sind wir in einer Branche gestartet, die für Investor*innen oder sogenannte „Business Angels“ (also frühe private Unterstützer*innen) nicht gleich spannend klingt. Das große Geld ist eben nicht zu holen, wenn man fair entlohnt und konsequent nachhaltig handelt.
Luise Zaluski Wir bekamen von allen Seiten viel positives Feedback für unsere Geschäftsidee. Der Bedarf leuchtet schnell ein, und wirklich jede*r hat eine eigene Story zum Thema Putzmittel oder Putzkraft parat. Wir kennen sie mittlerweile alle. Aber die wichtigere Frage war ja, ob Menschen auch daran glauben, dass zwei grüne Gründerinnen ein öko-faires Geschäftsmodell erfolgreich und nachhaltig in einem nicht ganz einfachen Markt etablieren kann. Daran zweifelten anfänglich Viele, inklusive wir selbst. Wir wurden alle eines Besseren belehrt – bis heute haben wir nicht einen Euro für Werbung ausgegeben. Die Nachfrage nach Klara Grün ist groß, und obwohl – oder gerade weil – wir alle Marktregeln brechen, haben wir es erfolgreich durch die ersten zwei Gründungsjahre geschafft.
Wie viele Kunden und wie viele Mitarbeiter habt ihr inzwischen?
Julia Seeliger Mit einem Team von rund 35 Mitarbeitenden bedienen wir mehr als 100 Privat- und Geschäftskunden im Berliner Raum. Natürlich werden wir weiter wachsen – aber eben nachhaltig und gesund. Wir haben mittlerweile eine Warteliste für Neukunden. Das überrascht uns selbst. Manchmal dauern die Dinge etwas länger, wenn sie am Ende gut werden sollen.
Wie würdet ihr eure Kund*innen beschrieben?
Julia Seeliger Die Bandbreite ist wirklich groß: Personen, für die nachhaltiger Konsum weiterreicht als Fair Trade-Kaffee und Bio-Eier zu kaufen. Eltern, die sich für ihre Kinder ein möglichst chemie-freies Zuhause wünschen. Vielbeschäftigte Haushalte, die dringend Unterstützung brauchen, aber niemanden ausbeuten wollen. Ältere Generationen, die ein anderes Sicherheits- und Qualitätsbewusstsein haben als wir Jungen. Ebenso Menschen, die jahrelang schlechte Erfahrungen mit Billig-Anbietern gemacht haben, und die deswegen bereit sind, mehr zu zahlen. Unsere Kund*innen wünschen sich oft eine bessere Kommunikation und wollen ihren ökologischen Fußabdruck verbessern. Was auch immer die ausschlaggebende Motivation ist: Es sind alles Schritte hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Das ist es, was zählt.
Und wie würdet ihr eure Mitarbeiter*innen beschrieben?
Julia Seeliger Das Klara Grün-Team ist ein bunter Haufen Menschen mit den unterschiedlichsten Lebensgeschichten, Herkunftsländern und Werten. Was alle im Team eint, sind die Verbindlichkeit und der Qualitätsanspruch, mit denen wir täglich unsere Arbeit angehen. Der Weg dahin war gar nicht so leicht, denn die Reinigungsbranche leidet nicht etwa an einem Nachfrage-, sondern an einem Personalproblem. Für uns deswegen war von Anfang an klar, dass wir durch faire Bezahlung, ein gesundes Arbeitsumfeld und die Möglichkeit, sich aktiv in Unternehmensprozesse einzubringen, einen Rahmen schaffen müssen, der die Arbeit als Raumpfleger*in attraktiv macht. Denn nur wenn wir die Wahl haben, können wir ein langfristig gutes Team aufbauen.
Seid ihr mit eurem Erfolg zufrieden?
Julia Seeliger Sagen wir es mal so: Wir sind überrascht, aber nicht zufrieden.
Überrascht, weil 50 Prozent aller Gründungen in den ersten zwei Jahren scheitern. Wir hätten nicht zu träumen gewagt, dass die Nachfrage und das Vertrauen, die uns entgegengebracht werden, so hoch sind. Berlin ist eine Billiglohn-Stadt, und wir grätschen mit einem neuen, eher hochpreisigen Angebot in den Markt. Rückblickend durchaus waghalsig, aber daraus ziehen wir mittlerweile das nötige Selbstbewusstsein, das uns lange gefehlt hat.
Das mit der Zufriedenheit ist ein grundsätzliches Problem im Sozialunternehmertum: Wir sind erst dann erfolgreich und zufrieden, wenn wir uns selbst abgeschafft haben. Warum? Weil unsere Idee so viel Strahlkraft entfalten soll, dass bald auch unsere Mitbewerber konsequent nachhaltig handeln. Dann wird’s bei uns natürlich weniger Nachfrage geben, aber unsere Mission ist trotzdem erfüllt. Das wird noch ein langer Weg.
Welche Menge an Putzmitteln verbraucht euer Reinigungsdienst im Monat?
Luise Zaluski Unser wichtigstes Reinigungsmittel ist Wasser. Die übrigen Rohstoffe für unsere Putzmittel wie Soda oder Zitronensäure setzen wir unterstützend ein. Eine Statistik zum Verbrauch führen wir nicht – allerdings ist der Verbrauch weitaus geringer, als ursprünglich kalkuliert. Der erste 25 Kilogramm-Sack Natron hat mehrere Monate gereicht. Das ist heute mit mehr als 100 Kunden natürlich nicht mehr der Fall.
Im täglichen Betrieb achten wir – mehr als auf den Rohstoffverbrauch – darauf, Verpackungsmüll und insbesondere Plastikmüll einzusparen. Wir bestellen in möglichst großen Gebinden und nutzen leere Container als Behälter für Reinigungsmittel-Essenzen bei unseren Gewerbekunden. Unsere Putzmittel-Flaschen stammen aus einer Kooperation mit einem Getränkehersteller, wobei wir Glasflaschen nutzen, die nicht mehr ins Pfandsystem zurückgeführt werden können. Wir versuchen auch hier, konsequent ökologisch zu handeln.
Ihr macht alle eure Putzmittel selbst. Wie seid ihr auf die besten Rezepte für die Putzmittel gekommen und wo stellt ihr sie her?
Luise Zaluski Unser Motto für Reinigungsmittelrezepte: So wenig wie nötig, so ökologisch wie möglich. Wir stellen alle Klara Grün-Reinigungsmittel von Hand in unserer eigenen kleinen Produktionsstätte her, einige Leute aus unserem Raumpflege-Team haben das gelernt. Drin ist, was man von Omas alten Hausrezepten kennt: Natron, Soda, Zitronensäure und Co. Herstellungsanleitungen findet man überall im Internet. Die optimalen Mischverhältnisse und Rezepturen für unsere Mittel haben wir herausgefunden, indem wir ein Tuch in die Hand genommen haben und einfach putzen gegangen sind, neben unseren damaligen Jobs. Unsere ersten Kunden waren Unternehmen und Privatpersonen in unserem Netzwerk. Dabei haben wir selbst gelernt, wie das alles funktioniert und wie effektiv eben auch unsere Reiniger sind.
Auf welches Putzmittel kann man nach eurer Erfahrung im Haushalt getrost verzichten?
Luise Zaluski Auf chemischen Rohrreiniger – eine vermeintliche tolle Innovation und so einfach anzuwenden. Aber: Rohrreiniger ist eine ätzende Lauge, die irreparable Schäden an Haut und Augen hervorrufen kann. Wir haben offenbar vergessen, dass eine mechanische Einwirkung auf verstopfte Rohre deutlich effektiver und vor allem ungefährlicher ist. Wer einmal monatlich seinen Abfluss mit einer Spiralbürste reinigt, braucht sich über verstopfte Rohre keine Gedanken machen.
Und welche Reinigungsmittel braucht man unbedingt?
Luise Zaluski Weniger essentiell als ein bestimmter Wirkstoff ist gutes Equipment. Wer ein paar Euro mehr für ein gutes Tuch ausgibt, spart sich viele Reinigungsmittel. Die meisten haushaltsüblichen Verschmutzungen bekommt man mit Wasser und mechanischer Reinigung weg.
Was ist euer persönlicher Nachhaltigkeitstipp für den Haushalt?
Julia Seeliger Da brauchen wir nicht lange nachzudenken: Weniger ist mehr. Ein nicht gekauftes Produkt hat die beste Öko-Bilanz, das gilt auch für nachhaltig produzierte Produkte. Mit unseren Reinigern wollen wir zeigen, dass Selbermachen und Wiederverwenden in der Regel umweltfreundlicher ist, als neu zu kaufen. Wir betreiben Upcycling mit unseren Reiniger-Flaschen und wollen unsere Kunden inspirieren, auch anderen Produkten in ihrem Haushalt ein zweites Leben zu geben, statt sie wegzuwerfen.
Zur Person
Luise Zaluski arbeitete nach ihrem BWL-Studium als Markenberaterin. In dieser Zeit kamen mehr und mehr Fragen zum Thema Nachhaltigkeit in ihr hoch, die sie bei ihrer Arbeit nicht beantwortet sah. Sie kündigte und einen Master in Responsible Management, um sich zukünftig ganz den Fragen der Nachhaltigkeit zu widmen. Bei Klara Grün verantwortet Luise Zaluski das Operations Management und ist dafür zuständig, dass das Team und die Kunden zufrieden sind. Zudem ist sie für die Wissensvermittlung in nachhaltiger Raumpflege zuständig.
Julia Seeliger arbeitete nach ihrem Kommunikationsmanagement-Studium in Werbeagenturen, konnte dort aber ihr Wissen und ihre Energien in der Zusammenarbeit mit global agierenden Marken nicht gewinnbringend einsetzen. Während einer einjährigen Auszeit reiste sie mit einem Wohnmobil durch Europa und startete direkt danach im Bereich Marketing bei Original Unverpackt. Bei Klara Grün kümmert sie sich federführend um das Neukundengeschäft, Partnerships sowie Unternehmenskommunikation.
Interview Ulrike Bretz Fotos Klara Grün
Es ist ganz einfach, Reinigungsmittel selbst herzustellen – wenn man es macht wie Julia Seeliger und Luise Zaluski. Die beiden haben uns fünf Anleitungen verraten. Hilfreiche Infos zu den Inhaltsstoffen wie Soda, Apfelessig und Wasserstoffperoxid findet ihr hier.