Fruchtig, blumig oder erdig? Alte Tomatensorten schmecken köstlich. Wer gerne mit den Fingern zupft und fummelt, kann daraus leicht Saatgut für die nächste Ernte gewinnen.
„Bombolino d’Inverno“, eine alte italienische Cocktailtomaten-Sorte mit süßen, roten Früchten, taugt zur Samengewinnung besonders gut, wie auch „German Gold“, eine aromatische gelbe Fleischtomate. Sie gelangte einst mit deutschen Auswanderern in die USA und kam wieder zurück.
Auch empfehlenswert: die vielen regionalen Varianten der Ochsenherztomate, die gleichzeitig süß und säuerlich schmeckt. Je nach Verbreitungsgebiet sind die Früchte mal mehr, mal weniger gerippt, rosafarben oder rot. Sie können bis zu 500 Gramm schwer werden.
Wo gibt es die abwechslungsreichen Alten? Weltweit beteiligen sich Gärtnerinnen und Gärtner an ihrem Erhalt, verkaufen die Früchte oder reichen zu einem kleinen Preis Saatgut weiter. Auch der Bauer Victorio Domínguez Muñoz, ein Mitwirkender der Saatgutbank in Córdoba, den wir aus der Werde-Frühjahrsausgabe kennen, gewinnt aus seinen Tomaten die Samenkörner selbst und verschenkt sogar einen Teil davon in Spanien.
Zahlreiche Vereine liefern ebenfalls Samen und Informationen zum Anbau. „Das Bewusstsein, dass pflanzliche Vielfalt viele Vorteile bietet, beschert den alten Sorten gerade ein Comeback“, sagt Susanne Gura vom Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt e. V. (VEN). Auch wenn es inzwischen bei Discountern und in Supermärkten viele verschiedene Tomatensorten gibt, sind die daraus gewonnenen Samenkörner ebenso wie in Gartencentern angebotenes Saatgut nicht zur Vermehrung geeignet.
Es handelt sich meistens um Hybridzüchtungen, selbst wenn sie äußerlich den alten Sorten ähneln. Die Hybriden bringen üppige Erträge und besonders gleichförmige Tomaten her- vor, vererben aber nur einen Bruchteil ihrer Eigenschaften an die nächste Generation. Diese bringt im Extremfall gar keine Früchte hervor.
Wer solche Tomaten anbaut, muss jedes Jahr frisches Saatgut kaufen. Ausschließlich sogenannte samenfeste Sorten, darunter alle alten Sorten, eignen sich, um vermehrt zu werden. Wer immer wieder selbst Saatgut gewinnt, genießt seine Früchte ganz besonders.
So geht’s: Tomaten aus dem eigenen Saatgut in vier Schritten
Schritt 1
Tomaten ausdrücken und ruhen lassen
Wer aus Tomaten samenfester Sorten, die im eigenen Garten wachsen, Körner entnehmen will, nimmt am besten Tomaten, die in der Mitte der Vegetationsperiode reifen. Die Früchte halbieren und ausdrücken. Die Samen zusammen mit dem Fruchtfleisch und dem Tomatensaft zwei Tage lang in einer Schüssel ruhen lassen.
Nicht vergessen: das Gemisch öfter umrühren, sonst beginnt es zu gammeln. Dieser Schritt erhöht die Keimfähigkeit und trägt dazu bei, dass sich das Saatgut einfacher von der restlichen Frucht ablösen lässt.
Schritt 2
Sud abgießen und Fruchtfleisch abzupfen
Ein säuerlich riechender Sud hat sich gebildet. Die keim-hemmende Schicht der Samenkörner schwimmt jetzt in der Flüssigkeit. Den Sud mit den Tomatensamen durch ein Sieb gießen und unter fließendes Wasser halten. Mit den Fingern kleine Fruchtfleischreste entfernen, bis nur noch die sauberen Samenkörner übrig bleiben. Nur Geduld, das kann eine Weile dauern.
Schritt 3
Ausbreiten und gut trocknen lassen
Das Sieb ordentlich abklopfen, um möglichst viel Nässe herauszuschütteln. So trocknen die Körner schnell und fangen nicht vorzeitig zu keimen an. Das feuchte Saatgut auf einem Bogen Papier ausbreiten und ein paar Tage lang gründlich trocknen lassen. Sehr gut eignet sich dafür Backpapier. Meist enthält es eine unsichtbare Antihaftbeschichtung. Im Bioladen etwa gibt es recyclingfähiges Backpapier ohne Zusätze.
Schritt 4
Saatgut in Papiertüten und Gläser füllen
Die trockenen Körner in Gläser füllen, die selbst keinerlei Feuchtigkeit mehr enthalten dürfen und sich dicht verschließen lassen. Das Saatgut kann zuvor auch in kleine Papierumschläge verpackt werden, denn das Papier entzieht den Körnern mögliche Restfeuchte. Knoblauchzehe oder Lorbeerblatt mit ins Glas geben, um Schädlinge fernzuhalten. Anschließend kommen die Gläser mit den bloßen Körnern oder den Körnern in Papier ins Dunkle und das Saatgut im nächsten Jahr in die Erde.
Samenfestes Saatgut bekommt man zum Beispiel beim Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt e. V. (nutzpflanzenvielfalt.de), beim Vermehrungsgarten Hannover (vermehrungsgarten.de), bei Arche Noah (arche-noah.at) oder bei Stadt-Tomaten von ProSpecieRara (stadt-tomaten.ch)
Stephanie Eichler Text
Emanuel Herm Foto
Dieser Beitrag ist erschienen in Werde 02/2021