Die Biodiversität schrumpft, der Boden für Anbau verschwindet, die Wasserquellen verschmutzen. Und das Klima stellt die bisherige Landwirtschaft infrage. Das Projekt Living Farms sucht nach neuen Wegen, in dem das Team die Erfahrungen von biodynamischen Höfen sammelt.
Was ist Living Farms?
Lin Bautze Mit Living Farms sammelt ein Team der Sektion Landwirtschaft am Goetheanum die Erfahrungen biodynamischer Höfe. Das Ganze findet bis Februar 2022 statt. Bis zu 20 Höfe werden bis dahin weltweit besucht. Das Team führt dabei viele Interviews über Motivation, Strategien und Handlungsoptionen. Neben der Betriebsgröße und der Wirtschaftlichkeit geht es vor allem um die persönlichen Aspekte und Erfahrungswerten der Landwirte. Unsere Ergebnisse werden dann in Kurzvideos, einer Buchpublikation und mehreren Veranstaltungen gezeigt. Der Goetheanum-Gartenpark und die Hofgemeinschaft Heggelbach sind gerade die ersten Pilotbetriebe, die besucht und in einem Kurzvideo vorgestellt worden sind.
„An beiden Orten hat sich gezeigt, dass der Boden eine zentrale Rolle in der Produktion spielt.“
Und was habt ihr bisher herausgefunden?
Lin Bautze An beiden Orten hat sich gezeigt, dass der Boden eine zentrale Rolle in der Produktion spielt. Die Qualität des Bodens spiegelt sich letztendlich im Geschmack und der Qualität des Produktes wieder. Dafür haben beide Betriebe spezielle Praktiken entwickelt, wie sie den Boden schützen können. Am Gartenpark Goetheanum hat Benno Otter eine individuelle, auf den Boden und die Kulturen angepasste Anzuchterde produziert. Diese berücksichtigt die Qualitäten des kalkreichen Ausgangsgesteins – und ergänzt diese mit verschiedenen Kompostsorten. So entsteht eine Anzuchterde, die zum einen torffrei ist und damit das Klima und die Moore schützt. Zum anderen dem Gemüse im Garten ausreichend Nährstoffe bietet.
Auf dem Heggelbach Betrieb wird dagegen ein besonderes Augenmerk auf die Bodenfruchtbarkeit der Ackerbauflächen gelegt. Für Jona Kreis, der sich dort auch um den Getreideanbau kümmert, ist ebenfalls klar, dass der Boden eine zentrale Rolle in der Klimaanpassung spielt. Wenn der gut behandelt wird und gesund ist, gibt es später mal weniger Probleme bei Trockenheit oder extremen Niederschlägen. Darum plant der Heggelbach Betrieb recht genau, wann welche Maschinen auf dem Acker fahren. Weil diese der Erde langfristig schaden. Zudem versucht der Betrieb, soweit wie eben möglich, die Überfahrten mit schweren Maschinen überhaupt zu reduzieren. Kompost, Zwischenfrüchte, Mischkulturen und biodynamische Präparate sollen dagegen helfen, den Boden gesund zu halten.
In welche Länder wird euch euer Projekt führen?
Lin Bautze Wir besuchen jeweils zwei Höfe in Afrika, Australien und Neuseeland, Südamerika und Nordamerika. Weitere drei Höfe sollen aus Asien und sechs aus Europa dazukommen. Danach wird es ein Video über die Landwirtschaftliche Tagung 2020 geben. Und ein paar der Teilnehmer aus den über 80 Ländern werden dafür interviewt.
„Wir erhoffen uns mit den Praxisbeispielen aus verschiedenen Klimazonen Anregungen für eine nachhaltige Landwirtschaft.“
Warum verfolgt ihr dieses Projekt?
Lin Bautze Die Lage der Landwirtschaft ist kritisch. Nach einer Schätzung der Vereinten Nationen kann man nur noch 60 Jahre lang gewährleisten, dass wir einen fruchtbaren Boden haben. Die Menschen auf den Feldern, in den Läden und in den Küchen suchen deshalb natürlich nach Auswegen. Ein wichtiger Ansatz dabei ist die biodynamische Landwirtschaft. Hier haben wir schon einen reichen Erfahrungsschatz aus jahrzehntelanger Praxis. Der Bio-Anbau wird auch vom Weltklimarat, dem IPCC, empfohlen. In ihrem letzten Bericht „Klima und Landsysteme“ ging es unter anderem um die klimafreundliche und resiliente Anbaumethode. Umso wichtiger ist es uns zu zeigen, dass es schon viele praktische Umsetzungen gibt, deren Erfahrungen man auf anderen Höfen nutzen kann.
Was wollt ihr mit Living Farms erreichen?
Lin Bautze Wir wollen durch Wissen zum Handeln ermächtigen. Die Bio-Szene setzt sich sehr für die Zukunft der Erde und ihre Lebewesen ein. Was im biodynamischen Landbau schon umgesetzt wird, ist der Aufbau von Bodenfruchtbarkeit, sowie eine bodengebundene Tierhaltung. Ebenfalls wichtig sind Praktiken in Pflanzenzüchtung und Gemüseanbau, Vernetzungen in der Wertschöpfungskette und Ernährungswerkstätten um einen Hof. Obwohl man auch hier mit dem Klimawandel und den extremen Witterungsschwankungen zu kämpfen hat. Wir erhoffen uns mit den Praxisbeispielen der Höfe aus den verschiedenen Klimazonen Anregungen für eine nachhaltige Landwirtschaft. Sobald sich Wege aufzeigen, die gut umsetzbar und schnell erlernbar sind, haben wir unser Ziel erreicht.
Zur Person
Lin Bautze hat Global Change Management (M.Sc.), sowie Umwelt- und Ressourcenmanagement (B.Sc.) studiert. Am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) hat sie die wissenschaftliche Projektleitung des SOLMACC Projektes geleitet. In dem Projekt wurden klimafreundliche und resiliente Anbaumethoden im Biolandbau in Europa getestet. Seit April 2019 arbeitet Lin Bautze bei der Sektion für Landwirtschaft als Leiterin des „Living Farms“ Projektes. Zeitgleich promoviert sie an der Justus-Liebig Universität in Giessen zum Thema „Das Potential biologischer Landwirtschaft für die Klimaziele der EU“. In ihrer Freizeit bewirtschaftet sie zusammen mit ihrem Mann einen Garten und Bienenvölker für die Selbstversorgung nach biodynamischen Prinzipien.
Living Farms erleben
• Facebook und Youtube: Sektion für Landwirtschaft
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